Full text: Handbuch der Politik.Dritter Band. (3)

  
Fritz Zadow, Der deutsche Kolonialbestand. 295 
  
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von Edelmetallen gerichtet waren, so wurden die Versuche bald wieder aufgegeben, als sich heraus. 
stellte, dass das erwartete Gold nicht gefunden wurde und im übrigen der Schutz einer nationaler 
Macht zur Befestigung des Besitzes fehlte. 
Ein zweiter Versuch der Gründung von Kolonien wurde unter dm Grossen Kur- 
fürsten unternommen, der klar erkannte, dass ein Volk nur dann in die Höhe kommen könnte. 
wenn es auf dem Meere eine Rolle spiele. Sein volkswirtschaftliches Bekenntnis fasste er in die 
Worte:,, Der gewisseste Reichthumb und dasAufnehmen einesLandes kommen aus dem Kommer- 
zıum her. Seefahrt und Handel sınd die fürnehmsten Säulen eines Estats, wodurch die Unterthanen 
beides zu Wasser als auch durch die Manufakturen zu Lande ihre Nahrung und Unterhalt erlangen.) 
Die Bedeutung überseeischen Besitzes für das Mutterland hatte er in Holland, dem grössten 
Kolonialreich des 17. Jahrhunderts kennen gelernt, das trotz seiner räumlichen Kleinheit durch 
seine Kolonien zu Macht und Reichtum gelangt war und als die Hohe Schule der Volkswirte und 
Staatsmänner galt. Kaum hatte er sich in dem sıegreichen Feldzuge gegen die Schweden unter 
Beihilfe des aus Holland stammenden Schiftsrheders Benjamin Raule eine Krieesflotte 
oeschaffen, als er in den Jahren 1680 und 1681 de Gründung von Kolonien an der 
afrıkanischen Westküste, insbesondere an der Goldküste, versuchte und mit 
Negerhäuptlingen Verträge abschliessen liess, durch welche deren Gebiet unter brandenburgische 
Oberhoheit gestellt wurde. Noch heute bezeichnen auf englischem Gebiete an der Goldküste Ruinen 
die Stelle, wo ım Jahre 1683 der Major von der Gröben den Grundstein zu dem Fort Gross- 
Friedrichsburg gelegt hatte. Eine vom Grossen Kurfürsten gegründete afrıkanısche 
Handelskompagnie sollte die Kolonie wirtschaftlich entwickeln; indessen prosperierten die kolo- 
nialen Unternehmungen, die besonders unter den Feindseligkeiten der Holländer zu leiden hatten, 
schon zu seinen Lebzeiten nicht recht, und nach seinem Tode verfielen sie unter seinen Nachfolgern 
bald vollständig. Friedrich Wılhelm I. verkaufte schliesslich im Jahre 1717 die branden- 
burgischen Besitzungen für 7200 Dukaten an die holländische Kompagnie und damit hatte die 
brandenburgisch-preussische Kolonialgeschichte ıhr Ende erreicht. 
Erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts haben wieder vereinzelt koloniale Pläne gespielt. 
Schon Roscher hatte im Jahre 1848 die Notwendigkeit und die Grundzüge einer deutschen 
Kolonisation festgestellt: ‚Deutschland muss aufs Meer‘, so rief er aus — „und übers Meer hinaus 
in die überseeischen Länder. Neue Produktions- und Konsumtionsgebiete müssen, sei es durch 
politische Kolonisation, scı es durch wirtschaftspolitische Massregeln, mit unseren nationalen 
Interessen verbunden werden‘ .?) Dieser Ruf Roschers blieb nicht unbeachtet, aber es dauerte 
lange, bis er eine praktische Verwirklichung fand, da die politische Zerrissenheit Deutschlands 
jede kräftige Entfaltung nach aussen verhinderte. Nach der Zusammenfassung der politischen 
und wirtschaftlichen Kräfte ım Norddeutschen Bunde wurde in die Verfassung des 
letzteren unter den Aufgaben des Bundes alsbald aufgenommen die Gesetzgebung über ‚‚die Koloni- 
sation und die Auswanderung nach ausserdeutschen Ländern“, und mit der Einigung sämtlicher 
deutscher Staaten im Deutschen Reiche gewann der Gedanke praktischer kolonialer 
Betätigung alsbald Boden. Schon während der Friedensverhandlungen wurden Kochinchina und 
andere französische Kolonien als Kriegsentschädigung angeboten, und auch die hanseatischen 
Grosskaufleute machten koloniale Wünsche geltend; indessen fanden alle diese Vorschläge kein 
Gehör beim Fürsten Bismarck, der seine Ablehnung damit begründete, dass in dem eben erst nach 
schweren Kriegen neugeschaffenen Reiche die Regierung soviel mit dem Ausbau im Innern zu tun 
hätte, dass sie zunächst nicht an eine koloniale Betätirung nach aussen denken könnte. Aus diesem 
Grunde nahm auch das Deutsche Reich im Jahre 1874 das ihm angebotene Protektorat über San- 
sibar nicht an. 
Zunächst musste überhaupt die ganze Nation für eine Kolonialpolitik gewonnen werden; 
denn bei der ersten Gelegenheit, die Anlass zu einer geringen kolonialen Betätigung bot, zeigte 
sich, dass der Gedanke einer kolonialen Ausbreitung in dem deutschen Volke doch noch nicht Wurzel 
|) 
  
  
  
  
  
  
  
  
2) Cit, bei Hassert S. 13, 
3) Cit. bei Jöhlinger S. 6. 
Handbuch der Politik. Il. Auflage. Band I. 15
	        
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