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998 Fritz Zadow, Der deutsche Kolonialbestand.
deutschen Kaufleute ab, die sie sofort auf das Reich übertrugen, worauf Nachtigal im August 1884
in Kamerun die deutsche Flagge hisste.‘)
Endlich erwarb Deutschland im Jahre 1884 auch noch seinen vierten und grössten afri-
kanischen Besitz, nämlich Deutsch-Ostafrika. Während an der westafrikanischen
Küste, wie erwähnt, schon seit längerer Zeit deutsche kaufmännische Niederlassungen bestanden
hatten, war dies in Ostafrika — mit Ausnahme der Insel Sansıbar — nicht der Fall; vielmehr
handelte es sich hier um eine frisch in Angriff genommene kolonisatorische Tätigkeit, die ausging
von der Gesellschaft für deutsche Kolonisation‘, deren Vertreter Dr. Peters, Graf Pfeil
und Dr. Jühlke gegen Ende des Jahres 1884 eine Anzahl von Verträgen mit ostafrikanischen
Sultanen schlossen und sowohl privatrechtliche Eigentums- wie staatliche Hoheitsrechte über
ein Gebiet von zunächst etwa 2500 deutschen Quadratmeilen erwarben. Unter dem 27. Februar 1885
erhielt die Gesellschaft einen kaiserlichen Schutzbrief, den ersten, den die deutsche
Geschichte kennt. Zwar erkannte der Sultan von Sansıbar — auf die Einflüsterungen seiner eng-
lischen Ratgeber hin — in einem Protesttelegramm den kaiserlichen Schutzbrief nicht an und liess
Truppen in die erworbenen Landschaften einrücken; indessen übte das Erscheinen eines aus acht
Kriegsschiffen bestehenden Geschwaders vor Sansıbar eine solche Wirkung aus, dass der Sultan
seine Streitkräfte schleunigst zurückzog und die deutschen Forderungen bedingungslos annahm.
Überdies räumte er der „Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft“, die in-
zwischen aus der ‚‚Gresellschaft für deutsche Kolonisation hervorgegangen war, den sehr brauch-
baren Hafen Daressalam ein und schloss Ende 1885 einen für Deutschland sehr günstigen
Handelsvertrag ab. Im nächsten Jahre kam es zu einem Übereinkommen zwischen Deutschland
und England, in welchem beide Mächte die Souveränetät des Sultans über sein Inselgebiet und
über das Küstengebiet in einer Tiefe von 10 Seemeilen anerkannten. Im Jahre 1888 schloss die
Gesellschaft mit dem Sultan einen neuen Vertrag, durch welchen er ihr die gesamte Verwaltung des
erwähnten Küstenstreifens pachtweise auf 50 Jahre unter Wahrung der ihm zustehenden Hoheits-
rechte überliess. Als noch in demselben Jahre ein blutiger Aufstand der arabischen Bevölkerung
ausbrach, welche ihren einträglichen Sklavenhandel durch die Deutschen gefährdet sah, setzte sıch
Deutschland mit England zur gemeinsamen energischen Bekämpfung des Sklavenhandels ın Ver-
bindung und es kam zu einer gemeinsamen Küstenblockade durch ein gemischtes Geschwader.
Da die ‚‚Deutsch-Ostafrikanısche Gesellschaft“ nicht imstande war, den Aufstand zu unterdrücken,
wurde der Reichskommissar v. Wıssmann damit beauftragt, der im Jahre 1889 den Aufstand
mit Hilfe einer in Agypten angeworbenen Sudanesen-Truppe niederschlug und die Grundlagen
zu einer deutschen Verwaltung legte. Im Jahre 1890 übertrug dann die Gesellschaft, welche zu
schwach war, um das Schutzgebiet ın der erforderlichen Weise zu verwalten, gegen Zahlung von
45 Jahresraten in Höhe von 600 000 M. ıhre Rechte an das Deutsche Reich. Am 1. Juli desselben
Jahres schloss Deutschland mit England den sogenannten Sansibar-Vertrag, durch welchen Deutsch-
Ostafrika seine jetzige Begrenzung erhielt. Deutschland verzichtete in diesem Vertrag auf seine
Ansprüche auf die Inseln Sansibar und Pemba, sowie auf das Sultanat Witu, wogegen England die
Insel Helgoland an Deutschland abtrat und das deutsche Gebiet auf dem afrikanischen Festlande
anerkannte. Überdies erwarb Deutschland die Souveränetät über den erwähnten Küstenstreifen
des Festlandes und die Insel Mafia gegen Zahlung einer Geldentschädigung von 4000000 M.
seitens der Deutsch-Östafrikanischen Gesellschaft an den Sultan.
. Seinen letzten Kolonialbesitz erwarb Deutschland in den Gewässern des Stillen Ozeans,
wo im Winter 1884/85 die Nordostküste von Neuguinea, Kaiser Wilhelmsland,
der Bismarck-Archipel und die nördlichsten Inseln der Salomonen erworben wurden.
Im Jahre 1885 gingen das kleine Inselgebiet des Marshall- Archipels und die Karolınen
in deutschen Besitz über. Als es wegen der Oberhoheit über die Karolinen mit Spanien zu einem
Konflikt kam, wurde dieser durch den Schiedsspruch des Papstes dadurch beseitigt, dass Spanien
6) Durch das deutsch-französische Abkommen vom 4. November 1911 erhielt das Schutzgebiet Kamerun
einen Zuwachs von etwa 294 600 qkm, die bis dahin einen Teil der französischen Kongokolonie bildeten.