Full text: Handbuch der Politik.Dritter Band. (3)

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Fritz Zadow, Der deutsche Kolonialbestand. 
  
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d) Angehörige fremder farbiger Stämme. Sie haben keine wirkliche 
Schutzgebietsangehörigkeit, sondern nur eine Art de facto-Schutzgebietsangehörigkeit, die 
sıch darin äussert, dass sie den Eingeborenen in gewissen Beziehungen gleichgestellt sind. 
Massgebend für ihre rechtliche Stellung zum Reich ıst der $ 2 der Kaiserlichen Verordnung 
vom 9. November 1900: ‚Den Eingeborenen werden im Sinn der $ 4 und $7 Abs. 3 des 
Sch.G. die Angehörigen fremder farbiger Stämme gleichgestellt, soweit nicht der Gouverneur 
mit Genehmigung des Reichskanzlers Ausnahmen bestimmt. Japaner gelten nicht als An- 
gehörige farbiger Stämme‘.3°) 
  
B) Das Verhältnis der Schutzgebiete zum Reichsgebiet. 
        
I. Die Schutzgebietesind Teıledesdeutschen Reichsgebiets. 
a) Im Sinne des Völkerrechts. 
Da die Schutzgewalt ihrem Inhalte wie ihrem Umfange nach volle Staatsgewalt bedeutet 
und in dieser Staatsgewalt die volle Gebietshoheit über die sogenannten Schutzgebiete enthalten ist, 
so ergibt sıch hieraus, dass die Schutzgebiete vom Standpunkte des Völkerrechts aus Be- 
standteile des deutschen Reiches sind und dass sie in ihrer territorialen Stellung völkerrechtlich 
dem Deutschen Reich nicht als Ausland gegenüberstehen können. In keinem Falle besitzen die 
Schutzgebiete eine völkerrechtliche Persönlichkeit, dasie nicht in dem Umfange 
wie Protektoratsländer zu anderen Staaten ın völkerrechtliche Beziehungen treten können, sondern 
durch das Reich und seine Organe vertreten werden. 
Eine Folge des kulturell tieferen Standpunktes, den die Schutzgebiete dem Mutterlande gegen- 
über einnehmen, ist dıe Tatsache, dass sie nicht in allen Rechtsbeziehungen zu dritten Staaten die 
Stellung des Deutschen Reiches teilen. So gelten alle Staatsverträge (z. B. Handels- und Aus- 
lieferungsverträge), die Deutschland mit zahlreichen Staaten abgeschlossen hat und noch immer 
abschliesst, an sich nıcht für die Schutzgebiete; vielmehr bedarf es einer ausdrücklichen Be- 
stimmung im Vertrage, wenn diese Verträge auch für die Schutzgebiete Geltung haben sollen. 
Das Reich hat hinsichtlich der Schutzgebiete alle Rechte und Pflichten, die ihm nach Massgabe 
der Grundsätze und Vorschriften des Völkerrechts überhaupt hinsichtlich der Reichsgebiete zu- 
stehen, bezw. obliegen. 
Obgleich die Schutzgebiete keine völkerrechtliche Persönlichkeit besitzen und überall der 
völkerrechtlichen Vertretung durch das Reich bedürfen, so besitzen sie doch vermögens- 
rechtliche Persönlichkeit auf Grund des Reichsgesetzes vom 30. März 1892 über die Einnahmen 
und Ausgaben der Schutzgebiete, da in $ 5 bestimmt wird: „Für die aus der Verwaltung eines 
Schutzgebietes entstandenen Verbindlichkeiten haftet nur das Vermögen dieses Gebiets.” 
    
  
  
  
  
b) Im Sinne desallgemeinen Staatsrechts. 
Da die Schutzgebiete der Souveränetät des Reiches unterworfen sind, so sind sie auch 
im Sınne des allgemeinen Staatsrechts als Teile des Reiches zu bezeichnen; dagegen 
sind die Schutzgebiete nicht Reichsgebiet ım Sinne des Art. 1 der R.V., also gewissermassen 
im engsten Sinne des Staatsrechts, da zur Erweiterung des Reichsgebiets nach Art. 78 der R.V. 
ein besonders verfassungänderndes Gesetz hätte ergehen müssen, wie es bei der Aufnahme von 
Elsass-Lothringen und Helgoland ın den Reichsverband geschehen ist. Aus verständlichen 
Gründen ist aber ein diesbezügliches Reichsgesetz für die Kolonien bisher noch nicht ergangen, 
da die auf einen hohen Grad der Zivilisation berechneten Vorschriften der Reichsverfassung auf 
die überall noch ın der Entwicklung befindlichen Verhältnisse wenig passen würden. 
Wenn auch die Schutzgebiete mit Rücksicht auf Art. 1 der R.V. nıchtals Reichsinland 
bezeichnet werden können, so dürfen sie dennoch keineswegs als Ausland betrachtet werden, 
da Ausland nur dasjenige (Gebiet ist, welches entweder der Gewalt eines anderen Staates oder gar 
  
  
°5) Näheres über die Rechtsstellung der Bewohner in den deutschen Schutzgebieten siehe bei Mallmann 
(s. Literaturverzeichnis).
	        
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