944 Fritz Zadow, Der deutsche Kolonialbestand.
a) Das Gebiet des Staats- und Verwaltungsrechts.
Auf Grund folgender Gesetze staatsrechtlichen Inhalts gelten die Schutz-
gebiete auch als „Inland“ d. h. als Reichsgebiet im engeren Sinne der Reichsverfassung:
1. Die Schutzgebiete gelten kraft ausdrücklicher Bestimmung des $ 9 Abs. 2 des Sch.G.
als Inland im Sinne des $ 21 des St.A.G.
2.8 9 Abs. 3 des Sch.G. bestimmt: Bei Anwendung des Gesetzes wegen Beseitigung der
Doppelbesteuerung vom 13. Mai 1870 gelten die Schutzgebiete als Inland. Da der $ 1 dieses
Gesetzes bestimmt, dass ein Deutscher nur in dem Bundesstaate zu Staatssteuern heranzu-
ziehen ist, in welchem er seinen Wohnsitz oder seinen Aufenthalt hat, bei einem mehrfachen
Wohnsitz nur in seinem Heimatsstaat, so verhütet die genannte Bestimmung des Sch.G. eine
zwiefache Besteuerung von steuerpflichtigen Deutschen, die in den Schutzgebieten ansässig
sind. — Im Sınn der übrigen Reichssteuergesetze sind die Schutzgebiete als „Ausland zu
betrachten.
3. Als Inland gelten die Schutzgebiete ferner in bezug auf Art. 3 der R.V. (Vgl. $9 Abs. 1
des Sch.G.).
4. Als Inland gelten die Schutzgebiete weiterhin in bezug auf den $ 4 des Reichstagswahl-
gesetzes vom 31. Maı 1869 (vgl. $ 9 Abs. 2 des Sch.G.).
5. Nach $ 7 des Sch.G. finden in den Schutzgebieten auf die Eheschliessung und die Be-
urkundung des Personenstandes die $$ 2—9, 11, 12, 14 des Gesetzes vom 4. Mai 1870 ent-
sprechende Anwendung.
6. Vom Standpunkt des Reichszollgebietes aus gelten die Schutzgebiete als
Zollausland. $1 Abs. 3 des Zolltarifgesetzes vom 25. Dezember 1902 ermächtigt den
Bundesrat, auf die Erzeugnisse der Schutzgebiete die vertragsmässigen Zollsätze anzuwenden
d. h. diejenigen Zollsätze, welche vom Deutschen Reich in Handelsverträgen, die es mit anderen
Staaten abgeschlossen hat, festgesetzt worden sind. Danach und nach dem Beschluss des
Bundesrats vom 2. Juni 1893 geniessen also die Schutzgebiete nur die Meistbegünstigung,
so dass ihre Produkte nicht besser gestellt sind, als diejenigen jeder fremden meistbegün-
stigten Nation.
Vom Standpunkte jedes einzelnen Schutzgebiets aus gelten sowohl das Deutsche Reich als
auch die anderen Schutzgebiete als Zollausland. Jedes Schutzgebiet bildet ein eigenes
Zollgebiet und erhebt die Zölle gleichmässig von der gesamten Einfuhr, mag dieselbe nun aus
Deutschland, aus einem andern Schutzgebiete, oder aus dem Auslande kommen.
b) Das Gebiet der Rechtspflege.
Grundlegend ist hier der $ 3 des Sch.G., der auf $ 19 des Gesetzes über die Konsulargerichts-
barkeit vom 17. April 1900 verweist und die dort aufgezählten Gesetze über bürgerliches
Recht, Strafrecht, gerichtliches Verfahren usw. auch für die Schutzgebiete
in Kraft setzt. Wenn nun auch alle die im $ 19 genannten Reichsgesetze sowohl im Mutterlande
wie ın den Schutzgebieten gelten, so darf doch daraus nicht geschlossen werden, dass im Sinne
aller ihrer Vorschriften die Schutzgebiete nun auch wie Inland zu behandeln sind; vielmehr ist dem
Kaiser durch $ 3 des Sch.G. unter Verweisung auf $ 26 des Konsulargerichtsbarkeitsgesetzes das
Recht zuerkannt worden, auf dem Verordnungswege für das ganze Gebiet des bürgerlichen Rechts,
Strafrechts und Prozessrechts zu bestimmen, inwieweit die Schutzgebiete für diese Rechtsgebiete als
Inland oder Ausland anzusehen sind. Der $ 26 will also jede prinzipelle Entscheidung zurück-
weisen und im einzelnen Falle nur die ratio legis entscheiden lassen, ob die Schutzgebiete ım Sınne
des einen Reichsgesetzes als ‚„Inland“, im Sinn eines andern als „Ausland“ oder inwiefern sıe
Im Sinne desselben Reichsgesetzes einmal als ‚Inland‘, das andere Mal als ‚Ausland‘ anzusehen sind.
Für die allgemeine Würdigung der Frage sind hauptsächlich folgende Gesichtspunkte zu beachten:
1. Als Ausland gelten die Schutzgebiete überallda, wo örtlicheEntfernungen
und die damit verbundene Zeitdauer und Schwierigkeit des Verkehrs den Inlandsbegriff aus-