Full text: Handbuch der Politik.Dritter Band. (3)

Fritz Zadow, Der deutsche Kolonialbestand. 
  
  
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schliessen. Finden sich z. B. ım Bürgerlichen Gesetzbuch oder in der Zivilprozessordnung 
Bestimmungen, welche für das Ausland nur deshalb abweichende Vorschriften treffen, weil 
sie die „räumliche Entfernung‘ ın Rechnung ziehen, so ıst kein Grund einzusehen, warum die 
Schutzgebiete an dieser für sıe günstigen Bestimmung keinen Anteil haben sollen. Haupt- 
sächlich kommt hier die Dauer von Fristen in der Zivilprozessordnung in Betracht, welche z. B. 
die Bestimmung trıfft, dass anstatt der gesetzlichen Einlassungsfrist ($$ 262, 498) und der 
Einspruchstfrist (8 339) Fristen vom Gericht festzusetzen sind, ‚wenn die Zustellung im Aus- 
lande vorzunehmen ist. 
2. Als Inland sind die Schutzgebiete überall da zu betrachten, wo es sich um den gene- 
rellen Geltungsbereich deutscher Staatsgewalt überhaupt im Gegensatz zu fremden Staats- 
gewalten handelt, wo deutsches Gebiet vor ausländischem bevorzugt werden soll, deutsches 
Recht in Gegensatz zu ausländischem tritt und deutsche Interessen vor ausländischen be- 
sonders geschützt werden sollen (z. B. beim Schutz des geistigen oder gewerblichen Eigentums). — 
Was endlich noch die Gerichtsverfassung betrifft, so gelten hier die Schutzge- 
biete als Inland. Da die Gerichte in den Schutzgebieten kraft ihres territorialen Charakters 
alle möglichen Strafsachen zu erledigen haben, so sind sie ordentliche inländische Gerichte. 
  
  
  
Wie die vorstehenden Darlegungen ergeben haben, gründet sich das heutige staatsrechtliche 
Verhältnis des Reiches zu seinen Schutzgebieten auf dıe wichtige Erkenntnis des Charakters der 
Schutzgewalt, dıe nichts anderes ist als die unmittelbare, souveräne Staatsgewalt. Leider ist die 
deutsche Kolonialgesetzgebung den daraus sıch ergebenden Grundprinzipien des Kolonialrechts 
nur in sehr mangelhafter Weise gerecht geworden. Einesteils enthält das Grundgesetz des kolo- 
nialen Verfassungsrechts noch Sätze, deren Überflüssigkeit sich aus der richtigen Erkenntnis 
der staatsrechtlichen Natur der Schutzgebiete klar ergeben musste; andernteils aber zeigen sich 
fortwährend Lücken in dem gegenwärtigen kolonialen Rechtszustand. 
Die Schutzgebiete müssen staatsrechtlich ein Gebiet mit dem Mutterlande werden und 
wenn auch naturgemäss nicht alle Gesetze und Staatsverträge des Reiches auf die Schutzgebiete 
Anwendung finden können, so lässt sich doch die ın diesen Gesetzen und Verträgen enthaltene Be- 
zeichnung der Schutzgebiete als Ausland, wie sie auch heute noch häufig vorkommt, vermeiden. — 
Vor a lem aber ist die Abhängigkeit des Kolonialrechts vom Konsularrecht zu bedauern. Da die 
Vermengung von Schutzgebietsgerichtsbarkeit sich der Entwicklung hemmend in den Weg stellt, 
so muss sie beseitigt werden, zumal dann auch die beständige Verweisung des Schutzgebietsgesetzes 
auf das Gesetz über die Konsulargerichtsbarkeit ın Wegfall käme. Aber abgesehen von der for- 
mellen Schwerigkeit ergibt sich auch ın sachlıcher Beziehung mehr und mehr, dass 
die wirtschaftlichen und rechtlichen Bedürfnisse der Kolonien doch wesentlich andere und reichere 
sind als diejenigen der konsularen Gerichtsbezirke.. Es muss angestrebt werden, dass sich das 
deutsche Kolonialrecht grunpsätzlich von dem Konsularrecht emanzipiere und dass an Stelle 
der unübersichtlichen Gesetze ein neues selbständiges Schutzgebietsgesetz geschaffen werde, das 
den besonderen Bedürfnissen der kolonialen Entwickelung Rechnung trägt.?®) 
  
  
  
39) Vgl. hierzu Köbner, die Reform des Kolonialrechts (Verhandlungen des deutschen Kolonial- 
kongresses 1910 8. 386 £f.).
	        
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