Full text: Handbuch der Politik.Dritter Band. (3)

254 H. Edler von Hoffmann, Kolonialverwaltung. 
VII. Heereswesen. 
Die Sicherung des inneren und äusseren Friedens ist eine Aufgabe, welche jedes Schutzgebiet 
in erster Linie mit seinen eigenen Machtmitteln zu erfüllen hat. Es sind dies in Südwest-, Ostafrika 
und Kamerun die Schutztruppen, im übrigen Polızeitruppen. Die Schutztruppen stehen unter 
dem Öberbefehl des Kaisers. Unter ihm liegt die Leitung in der Hand des Reichskanzlers 
(Kolonialstaatssekretärs).. Unmittelbar unterstellt ıst die Gesamtheit der Schutztruppen dem 
Kommando, welches dem Kolonialamt eingegliedert ist. Die einzelne Truppe untersteht dem 
Gouverneur und unter ihm dem Kommandeur. »Mıe besteht aus weissen und farbigen Offizieren 
und Unteroffizieren. Die Gemeinen sind Farbige, in Südwestafrika auch Weisse. Die Militärver- 
waltung liegt in den gleichen Händen, wie der militärische Befehl, für jede Schutztruppe besteht 
aber auch eine dem Kommandeur unterstellte Intendantur. — Die einzelne Schutztruppe kann 
nicht nur für ihr eigenes, sondern auch für ein fremdes Schutzgebiet vom obersten Kriegsherrn 
verwendet werden, da aber besondere Kosten durch die Verwendung entstehen, so würden diese 
dem Schutzgebiete, aus dessen Mitteln die Truppe erhalten wird, ersetzt werden müssen. 
Ist der Schutz durch die eigenen Machtmittel die Regel, so muss andererseits gelegentlich 
doch auch das Mutterland mit den seinigen eingreifen, wenn auch eine rechtliche Verpflichtung 
dazu nicht besteht. Es kommt der Gesichtspunkt ın Betracht, dass der Verlust eines Schutzge- 
bietes durch feindliche Eroberung oder Aufstand die politischen Interessen des Deutschen Reiches 
empfindlich treffen würde. Es fragt sich aber, ob das Reich befugt ist, sich seiner auf Grund der 
allgemeinen Wehrpflicht geschaffenen Machtmittel zu einem Kolonialkriege zu bedienen ? Oder ob 
diese Pflicht nur soweit geht, als es sich um die unmittelbare Gefährdung der Staatsexistenz handelt? 
Man würde sagen können, dass bei der Begründung der allgemeinen Wehrpflicht nur die unmittel- 
bare Bedrohung des Bundesgebietes ins Auge gefasst werden konnte, da das Reich noch keine 
Kolonien besass. Indessen dem ıst entgegen zu halten, dass sich der Umfang der Wehrpflicht 
einzig und allein nach der Zweckbestimmung des Heeres richten kann. Diese ist unter den ver- 
änderten politischen und Verkehrsverhältnissen eine erweiterte geworden. Die Entscheidungen 
über das Gebiet des Mutterlandes können heutzutage auf einem entfernten Kriegsschauplatze 
fallen, deshalb ist die im Interesse der Verteidigung und Sicherheit des heimischen Bodens be- 
gründete allgemeine Wehrpflicht nicht auf Kriegsdienste auf europäischem Boden beschränkt. 
Ständig wird Schutz durch Machtmittel des Mutterlandes dem Schutzgebiete Kiautschou 
verliehen, da hier die Besetzung aus Teilen der aktiven Marine besteht. 
  
  
  
  
  
  
  
  
IX. Finanzverwaltung, 
Wirtschaftlich und vermögensrechtlich sind die Schutzgebiete vom Mutterland getrennte 
und verschiedene Persönlichkeiten. Ein jedes Schutzgebiet hat seinen eigenen Fiskus. 
Die Ausübung der Finanzverwaltung wird teils durch das Gesetz vom 30. März 1892, abge- 
ändert durch Gesetz vom 18. Maı 1908, bestimmt. Dieses sieht bei der Aufstellung des Etats, der 
Aufnahme von Anleihen und Übernahme von Garantien die Mitwirkung von Bundesrat und 
Reichstag vor. Teils wird das Finanzwesen auf dem Verordnungswege geregelt. Allein befugt ist 
hier der Kaiser oder die Behörden, die er ausdrücklich zur Finanzgesetzgebung ermächtigt. In 
unrichtiger Anwendung des ıhnen durch das Schutzgebietsgesetz verliehenen Rechtes, auf dem 
Verordnungswege das Recht der inneren Verwaltung zu schaffen, haben vielfach die Behörden 
Finanzverordnungen erlassen, denen die Gültigkeit nicht zuerkannt werden kann. 
Koloniale besondere Finanzbehörden sınd das Reichsschatzamt, welches mit dem Kolonial- 
amt gemeinsam den Etatsentwurf auistellt; ferner der Rechnungshof des Deutschen Reiches, dem 
durch das Reichskontrollgesetz die Rechnungskontrolle übertragen i-t. In mehreren Schutzgebieten 
ist dem Gouverneur ein Finanzdirektor beigegeben, an dessen Zustimmung der Gouverneur bei allen 
Verfügungen finanzieller Natur gebunden ist. Der Schutzgebietsfiskus wird generell durch den 
Reichskanzler (Kolonialstaatssekretär) vertreten, durch den Gouverneur nur kraft besonderer 
Einzelermächtigungen. Spezielle Finanzbehörden sind in den Schutzgebieten endlich auch die 
Zollämter, in Kiautschou werden die Zollgeschäfte durch das Chinesische Seezollamt versehen. 
  
  
  
  
  
  
 
	        
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