Willibald Stavenhagen, Das Deutsche Volksheer.
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4 starre Z (2—5) (Ersatz L 1 wird in diesem Jahr noch fertig), 3 unstarre P (2—4) und 3 halbstarre M (1, 3 und 4)
ausserdem noch ein Siemens-Schuckert- und ein Schütte-Lanzschiff (beide starr). Im Kriegsfall würden dazu noch
die Schiffe der Privatgesellschaften, besonders die 3 Passagierluftschiffe der Delag treten. Ein System Unger
ist zukunftsreich. Zahlreicher als diese Luftschiffsysteme, mit denen Deutschland führend ist, sind die im militä-
rischen Gebrauch befindlichen Flugzeugtypen (etwa 15 verschiedene Muster in Ein- und Doppeldeckern), und
auch hier haben wir bald Frankreich, das uns so lange und heute noch überlegen ist, bald erreicht. Von irgend
einer ‚‚Beherrschung‘“‘, gar ‚‚,Eroberung‘‘ des Luftmeeres ist aber keine Rede. Alles steckt noch in den Kinder-
schuhen, |
6. Ausbildung.
‚„Die Ansprüche, die der Krieg an die Truppe stellt, sind massgebend für ihre Ausbildung im Frieden.
Neben der körperlichen und militärischen Ausbildung bedingt die sittliche und geistige Kraft des Soldaten seinen
kriegerischen Wert. Sie zu heben, ist das Ziel der Erziehung.‘“ Dieser leitende Grundsatz, den unsere F.O. an die
Spitze stellt, durchzieht die ganze deutsche Heerestätigkeit. In keiner Armee wird mehr gearbeitet und zwar
wird, namentlich beim Offizier, auf selbsttätige Arbeit gesehen und daspraktischeKönnen. Der
heutige Kampf stellt auch die unteren Führer vor selbständige Entschlüsse, sie müssen durch die Ausbildung
eine auch unter den zersetzenden Einflüssen des Schlachtfeldes nicht versagende Dienstpraxis und Schulung des
Charakters erfahren. Ihre persönliche Haltung, ihre Kaltblütigkeit und Entschlossenheit vor der Front, sind von
bestimmendem Einfluss auf die Truppe. Ihr Beispiel stählt das Vertrauen, die feste Stütze der Manneszucht
in Gefahr und Not, und reisst die Untergebenen zu opfermutigen Taten fort. Umsomehr, wenn sie durch rastlose
Fürsorge und die Art des Dienstbetriebes die Dienstfreudigkeit der Truppe zu erhalten wussten. Roseggers
„Wissen ist wenig, Können ist König‘“ durchzieht die ganze deutsche Militärausbildung.
Für die Ausbildung. der Offiziere des Beurlaubtenstandes zu vollwertigen (Zug- und
Kompagnie- usw.) Führern ihrer Truppe ist der Regimentskommandeur verantwortlich, und es entscheidet dabei
das Kriegsmässige. Sie ist reformbedürftig.
Die Ausbildung der Unteroffiziere geschieht sinngemäss wie die der Offiziere und soll den An-
forderungen des Krieges entsprechen. Ganz besonders gilt dies auch für das Unteroffizierkorps des Beurlaubten-
standes, für das geeignete Mannschaften frühzeitig ausgewählt werden müssen.
Der Dienst der Mannschaften beginnt mit der gründlichsten Einzelausbildung, wobei Turn-
und Schwimmübungen unterstützend zur Erhöhung der körperlichen Kraft und Gewandtheit sowie entschlossenen
Handelns — des ersten Erfordernisses im Kriege — wirken. Geschickter Gebrauch aller Waffen sowie völlige
Beherrschung des Pferdes sind Vorbereitung für erfolgreichen Kampf und steigern das Selbstgefühl, während ein
stets dem Bildungsgrade der Mannschaft angepasster anregender und anschaulicher Dienstunterricht den Geist
der Truppe pflegt, auf Charakter und Gesinnung des einzelnen Mannes einwirkt und in ihm Vertrauen zum Vor-
gesetzten erweckt, also mindestens gleichwertig mit der taktischen Ausbildung ist. Die Grundlage für alle
Leistungen der Leute bildet dann die weitere Ausbildung in der Kompagnie, Eskadron und Batterie, die endlich
stufenweise und planmässig gesteigert wird zu den Übungen grösserer Truppenkörper (Regiment, Brigade) und
gemischter Waffen, besonders auch in kriegsstarken Verbänden. Hierbei werden Willenskraft und
Belbstvertrawuendurch Anstrengungen und Entbehrungen schon im Frieden gestählt und besonderer Wert
auf grosse Marschleistungen, Schiessen und Felddienst in allen Jahreszeiten und auch bei Nacht, sowie geschickte
Ausführung technischer Arbeiten gelegt. Selbständiges Denken und Handeln, Einsetzen der ganzen geistigen
und körperlichen Kraft aus eigenem Antrieb, auch wenn das Auge des Führers nicht über ihm wacht, werden
vom Soldaten gefordert und ihm anerzogen.?°)
Den Prüfstein der strategischen, taktischen und technischen Ausbildung für Mann und Führer
bilden dann die jährlichen grossen Heeresübungen (Manöver und Kaisermanöver, letztere besonders
auch für die höheren Führer bis zum Armeeoberbefehlshaber hinauf, sowohl zwischen zwei Parteien wie gegen
einen markierten Feind), sowie diebesonderen Übungen unter Beteiligung der schweren Artillerie (Angriffs-
übungen) und ım Festungskriege, die grösseren Pionier- sowie die Nachrichtenübungen der Telegraphentruppen,
die Übungen der Eisenbahnbrigaden usw. 1914 werden 6 Armeekorps mit starker Heereskavallerie im Kaiser-
manöver fechten, und ebenso wird den Übungen des Beurlaubtenstandes immer höhere Bedeutung
beigelegt. So waren 1912 etwa 465 000 Mann desselben eingezogen, der Masse nach Infanterie (364 445, dazu
12 743 Jäger), doch werden jetzt auch in grösserem Masse die Feld- und Fussartillerie berücksichtigt (46 320 bzw.
21 750) ebenso die Pioniere (15 931) und Verkehrstruppen der Reserve usw. 1914 werden 750 000 üben.
Zur praktischen Leistungsfähigkeit unseres Volksheeres darf volles Vertrauen gehegt werden.?!)
hergestellt. Den Löwenanteil am Gebrauch des Kraftzuges haben Sport und Privatpersonen (über die Hälfte),
demnächst das Handelsgewerbe. Nur !/,, der Autos stehen im Dienst öffentlicher Behörden (wie Heer, Marine,
Post usw.).
80) Erwähnt sei hier auch noch der landwirtschaftliche Unterricht, für den bei jedem
Korps einer Kommission aus einem Stabsoffizier und einem Zivilbeamten, in jeder Garnison eine Örtliche Kom-
mission aus Offizieren und Agrikulturlehrern besteht, in der jedes Regiment vertreten ist.
3) Die allgemeinen Dienstobliegenheiten, den inneren und äusseren Dienst, die Rang-
und Dienstverhältnisse, Gebührnisse, das Bekleidungs-, Ausrüstungs-, Verpflegungswesen usw. regeln durch-
dachte Gesetze und Vorschriften. Der ‚Katechismus‘ des Soldaten, die taktischen Reglements, stehen auf
der Höhe.