P. Koch, Bestand und Mehrung der Kriegsmarine. 999
Nur zur Erklärung des Krieges im Namen des Reichs ist er an die Zustimmung des Bundesrats
gebunden, es sei denn, dass ein Angriff auf das Bundesgebiet erfolgt. Auch kann er, wenn die
öffentliche Sicherheit bedroht ist, einen Teil des Bundesgebiets (Bayern ausgeschlossen) in Kriegs-
(Belagerungs-) zustand erklären.
Die eigentliche Kriegführung ist in allen Fällen ausschliesslich Aufgabe des Kaisers und
seiner Befehlsgewalt als Bundesfeldherr. Dagegen braucht er zur Bestreitung der dafür nötigen
Ausgaben der Zustimmung des Bundesrats und des Reichstages, die also eine Mitverantwortung
für den Krieg übernehmen.
Der Krieg — ‚ein Element in der von Gott eingesetzten Ordnung‘ nach Moltkes Wort,
die „Eisenkur der Menschheit“, wie ihn Jean Paul treffend genannt, denn ohne ihn würde die
Welt in Fäulnis geraten und sich im Materialismus verlieren — wird heute nur noch für die höchsten
idealen Güter, wo es sıch um die Ehre und die Existenz des Staats handelt, von Deutschland
geführt werden. Obwohl organisierte Gewalt, ist er doch ein Zivilisator und untrennbar mit der
Kultur, die weitgehendsten Einfluss auf ıhn ausübt, verbunden, ja für Völker, die noch im Anfang
der Zivilisation stehen, sogar das Hauptmittel des Fortschritts und ein Vermittler der Kultur. Nur
wenn er vom Volkswillen und der allgemeinen Begeisterung getragen wird, kann er Erfolg haben
und einen völlig befriedigenden Friedensschluss erzielen. Seim wichtigstes Werkzeug, das
Deutsche Volksheer, ıst und bleibt das stärkste, ganz Deutschland umschliessende
nationale Band. Möge es einst ın den Tagen des Sturms von einem vom Glück begünstigten kriege-
rischen Genius angriffsweise geführt werden! Und seine Siege von einem wirklichen Staatsmann
mit höchster politischer Kunst vorbereitet und ausgenutzt werden.
Abgeschlossen im November 1913.
b) Bestand und Mehrung der Kriegsmarine.
Von
Geh. Admiralitätsrat P. Koch, Berlin.
Wenig mehr als sechzig Jahre sind vergangen, seit zum ersten Malenach Jahrhundertelanger
Pause ein Hoheitszeichen in deutschen Farben an der Gaffel eines Kriegschiffes gehisst ward, und
erst im ersten Jahr des laufenden Jahrhunderts ward der Bestand der deutschen Kriegsflotte auf
die feste gesetzmässige Grundlage gestellt, auf der sich nunmehr der Bau der Schiffe und die
Ausgestaltung ihrer Organisation vollzieht.
Dieser latbestand kann nicht wundernehmen. Die Kleinstaaterei, die bis zum
Jahre 1867 die deutsche Landkarte für sich in Anspruch nahm, konnte die Vertretung ihrer
geringen Seeinteressen ruhig den wenigen Schiffen der Königlich Preussischen Flotte überlassen,
die seit 1850 ıhre Flagge in fernen Meeren zeigte, und von 1870 bis 1900 hatte das deutsche Reich
mit der Ausgestaltung seines im Kriege mit Frankreich nur in den Grundvesten errichteten Baus
so viel zu tun, dass für den Blick auf das Meer hinaus völlig die Zeit fehlte.
Dieses Blickeshattesichdasdeutsche Volk in der lange@Generationen währendenBeschäf-
tigungmit Religions- und Bürgerkriegen durchaus entwöhnt. Hamburg und Bremen fühlten sich
als Vertreter kosmopolitischer Interessen und der Volksgenosse, der über das grosse Wasser ging,
blieb für die Heimat in weitaus der grössten Zahl der Fälle verloren. Erst als sich unter