Otto Hoetzsch, Russland. 3)
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die Bauernunruhen und Strassenputsche waren, so hat doch alles dieses den Thron der Romanows
ernstlich nicht erschüttern können. Schon ım Laufe des Jahres 1906 zeigte sich ganz deutlich,
dass die Autorität des alten Absolutismus längst nicht so geschwächt war, wie man etwa im Oktober
1905, überhaupt im Winter 1905/06 angenommen hatte. Der Grund dafür ist, dass die Revolutionie-
rung der Bauern und der (aus Bauern bestehenden) Armee in dem ungeheuer ausgedehnten und an
Verkehrsmitteln doch noch armen Lande nicht ın dem Masse gelang, wie es nötig gewesen wäre.
Die Revolutionfblieb eine zusammenhanglose Stadt-Revolution, und als die Regierung endlich
in festem Entschluss weitere agrarische Reformen begann, flaute die Erhebung unter den Bauern
verhältnismässig rasch wieder ab. Dann blieben die Revolutionäre in der Arbeiterschaft und Intelli-
genz isoliert und konnte ein fest zufassender Staatsmann, wie das Stolypin war, verhältnis-
mässig rasch wieder Ordnung schaffen.
Aber die Erschütterung, die der russische Staat vom Winter 1904 bis Frühling 1906 durch-
zumachen hatte, war doch die stärkste, die bisher ın seiner Geschichte erlebt worden ist. Zum ersten
Male ın dieser Geschichte trat mit dem Zuge am sogenannten ‚‚roten Sonntag‘ (22. Januar 1905)
die Masse gegen den Zaren und den Absolutismus auf, während bisher nur einzelne die Hand im
Ernst dagegen erhoben hatten. Und das Staatsgefüge Peters des Grossen krachte in allen
Fugen, als die revolutionäre Bewegung die nichtrussischen Nationalitäten ergriff und Letten urd
Litauer, Polen und Kleinrussen, Tataren und Finnen mit ihren nationalen Selbständigkeitsforderun-
gen an das Tor des Staates pochten. Die Folge dieser Erschütterungen, die mit der Ermordung
Plehwes eingeleitet wurden und mit dem Zusammentritt der ersten Duma ein vorläufiges Ende fan-
den, war, dass nun auch Russland ın die Reihe der konstitutionell regierten Staaten eintrat. In
der Forderung nach einer Konstitution fanden sich alle die Wünsche nach Reformen zusammen,
dıe ın den letzten Menschenalter erörtert worden waren, und schrittweise, mıt dem Manifest vom
3. März 1905, mit der Bulyginschen Verfassung vom 19. August 1905, mit dem Oktobermanifest
vom 30. Oktober 1905 und mit dem Erlass der Reichsgrundgesetze vom 6. Mai 1906, wıch der Ab-
solutismus vor dieser Forderung zurück. Seitdem ist Russland ein konstitutioneller Staat. In
dıesen Kämpfen hat es die besondere monarchisch-konstitutionelle Staatsform gefunden, die zwar
das Volk ın Form des Reichstages, des Steuerbewilligungsrechts usw. zur Mitbestimmung der Staats-
geschäfte heranruft, aber der Krone noch ein weites Feld der Selbständigkeit und der Vorrechte
lässt. Begreiflicherweise ist bis heute, da das konstitutionelle Leben dieses Staates knapp 8 Jahre
alt ist, noch nicht ein vollständig klarer Zustand geschaffen. Die Krone und die Verwaltung haben
sich an den neuen Zustand noch nicht durchaus gewöhnt und die konstitutionellen Strömungen
begreiflicherweise auch noch nicht überall gelernt, ihre Doktrinen den Notwendigkeiten ihres
eigenen Staates durchaus anzupassen. Es bedurfte einer zweimaligen Auflösung des Reichstages
1906 und 1907 und der Oktroilerung eines neuen Wahlrechts (16. Juli 1907), um überhaupt dıe Bahn
für ein geordnetes parlamentarisches Leben zu eröffnen. Dieses ist dann in der 3. Duma von 1907
bıs 1912 vorangegangen und spielt sich gegenwärtig in der 4. Duma, die von 1912 bis 1917 dauern
soll, weiter ab.
Verhältnismässig sehr rasch hat sich, nachdem die ersten Erschütterungen überwunden
worden waren, Russland in die Formen des politisch-parlamentarischen Lebens überhaupt einge-
wöhnt. Das Wahlrecht sichert allerdings auch den Elementen des Besitzes und der O:dnung die
Mehrheit in seinem Reichstag und schliesst die proletarische Masse durchaus aus. Das Reichsbudget
wırd regelmässig rasch und pünktlich durchberaten, wenngleich bisher eine bis ins einzelne eindrin-
gende Budgetkritik und Etatberatung noch nicht erreicht werden konnte, nicht aus Schuld der Duma,
sondern aus Schuld der Regierung, die von ihren alten Gewohnheiten nur mühsam loszulösen Ist.
Die Parteibildung schloss sich den Vorbildern Westeuropas an, wenigstens ın den äusseren
Formen. Es gab schnell eine ganze Reihe von Parteien und Klubs, die Gegensätze von konser-
vatıv und lıberal, die sozialistischen und reaktiorären Elemente. Dabei trat freilich, was den
sozialen Inhalt dieser Parteien betraf, eın tıefgreifender Unterschied Russlands gegen Westeuropa
hervor. Es gibt keine zahlenmässig grosse Bourgeoisie in diesem immer noch kapıtalarmen Lande,
infolgedessen auch nicht eine politische Partei, die an ihr ihren starken Rückhalt findet. Da es aber
auch infolge einer Entwicklung, die hier nicht geschildert werden kann, einen unabhängigen und selb-
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