Full text: Handbuch der Politik.Dritter Band. (3)

  
2930 Paul Herre, Italien seit seinem Einheitskampfe. 
  
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zurückzuhalten, während man sıch mit Italien durch Schaffung eines selbständigen albanischen 
Staatswesens verständigte. Die schweren Schädigungen, die Österreich-Ungarn in diesen Monaten 
zweifellos erlitten hat, lassen sich jedoch wieder wettmachen, wenn die Regierung mit Entschieden- 
heit den Weg beschreitet, den Widerspruch zwischen innerer und äusserer Politik zu beseitigen. 
Dem notwendigen Streben, die slawıschen und wallachischen Völker des Balkans in irgend einer 
Weise für eine Gemeinsamkeit zu gewinnen, muss eine wohlüberlegte und konsequente Nationali- 
tätenpolitik im Innern der Monarchie entsprechen, die für Ungarn ebenso Geltung haben muss, 
wie für Österreich. Neben dem wirtschaftlichen wird auch ein politischer Ausgleich zwischen Öster- 
reich und Ungarn erforderlich sein, und man möchte den Madjaren die politische Einsicht zutrauen, 
dass sie schliesslich ihre Hand dazu bieten werden. Über diese mannigfachen Erfordernisse hinaus 
bleibt die wichtigste Aufgabe der habsburgischen Staatskunst, die scharf zur Richtschnur genom- 
mene orientalische Mission der Donaumonarchie gegen alle Widerstände zu erfüllen. Alles was andern 
Völkern und Staaten an expansiver und kolonialer Betätigung zugewiesen ıst, konzentriert sich 
für Österreich-Ungarn auf die erfolgreiche Durchführung der Balkanpolitik. In der Ausbreitung 
nach dem Südosten beruht seine Grossmachtstellung. (Geschrieben im Oktober 1913.) 
  
  
  
    
  
  
103. Abschnitt. 
Italien seit seinem Kinheitskampfe. 
Von 
Dr. Paul Herre, 
a. 0. Professor der Geschichte an der Universität Leipzig. 
  
Literatur: 
F. Crispi, Memoiren, Erinnerungen und Dokumente. Hısg. von J. Palamenghi — Crispi, 
Deutsche Ausg. von W. Wıchmann. Berlin 1912. — A. Billct, La France et l’Italie. Histoire des 
annees troubles 1881 a 1899. 2 Bände. Paris 1905. — L. Fıhr. v. Chlumecky, Österreich-Ungarn und 
Italien. Das westbalkanische Problem und Italiens Kampf um die Vorherrschaft in der Adria. Wien und 
Leipzig 1907. — Dazu die Literatur von Abschn. 104. 
Der Ventı Settembre des Jahres 1870 bildet den Schlussstein des nationalen Einheitswerkes. 
Das seit 1861 bestehende Königreich Italien erhielt in Rom seine natürliche Hauptstadt, während 
der Papst durch das Garantiegesetz vom 13.Mai 1871 auf den Besitz des Vatikans, Laterans und des 
Gebiets von Castel Gandolfo im Albaner Gebirge beschränkt wurde. 
Vollends seitdem war Italien auf den inneren Ausbau des neuen Staatswesens angewiesen. 
Die konservativ gerichtete Regierung wandte ihr Hauptaugenmerk den wichtigen Fragen der 
Danierung der Finanzen und der Heeresreform zu. Die ungeheure Schuldenlast nötigte zu grösster 
Sparsamkeit und Zurückhaltung und machte eine vorstossende auswärtige Politik unmöglich. 
Es kam hinzu, dass für den jungen Staat eine Stellungnahme unter den Mächten zunächst ausser- 
ordentlich schwierig war. Infolge des scharfen Gegensatzes zwischen Frankreich und dem Deutschen 
Reich war Europa, wenn auch nicht in ausdrücklichen Bündnisgruppen, in zwei Lager geteilt, und 
dıe allgemeine Lage des jungen Staates machte eine klare Parteinahme unrätlich. Indessen die 
unfreundliche Haltung der dritten französischen Republik, die trotz oder vielleicht wegen der 
Förderung des ıtalienischen Einheitswerkes durch Napoleon III. dem Mittelmeerrivalen mit offen- 
sichtlichem Misstrauen gegenübertrat, wirkte dahin, dass das konservative Ministerium Minghettı 
mehr und mehr Fühlung zum neuen Deutschland suchte. Andererseitsjedoch wurdediese Annäherung 
durch die immer enger sich gestaltende Verbindung zwischen dem Deutschen Reich und dem habs- 
burgischen Kaiserreich erschwert, denn der Gegensatz gegen Österreich schwächte sich nicht ab, 
sondern nahm um die Mitte der 70er Jahre rein irredentistische Formen an. Zweck dieser Bewegung 
ist bekanntlich das Streben, die noch ‚‚unerlösten‘‘ italienischen Gebiete des Trentino und Triests 
dem italienischen Staatswesen einzuverleiben, und es beweist die ganz auf diese letzte Konsequenz 
  
 
	        
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