Paul Herre, Der Kampf um die Vorherrschaft im Mittelmeer.
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werfung der Türkei, aber der eigentliche Sieger wurde nıcht Russland, das nur ın Asıen neuen Raum
gewann, sondern die slavischen Balkanvölker. Vor allem blieben Bosporus und Dardanellen Russ-
land versperrt; den Anteil an der Mittelmeerherrschaft verwehrten ıhm die auf dem Berliner Kon-
gress vereinigten europäischen Mächte, an der Spitze England und Österreich. Diese beiden Gross-
mächte sicherten sich aus dem türkischen Besitzstand wertvolle Beutestücke. Österreich wurde
durch die Okkupation Bosniens und der Herzegowina ein Balkanstaat und war mehr denn je in der
Lage Russland entgegenzutreten; England aber erwarb die Insel Cypern, dıe das östliche Mittelmeer
und namentlich die Zufahrt zum Suezkanal beherrscht. Sonst freilich blieb die Türkei auf euro-
päischem Boden dank der Eifersucht der Mächte erhalten.
Der Stein war ins Rollen gebracht, und wenn auch der Berliner Vertrag der engeren orien-
talischen Frage eine allgemeineuropäische Lösung brachte, so war ım Bereich der türkischen
Vasallenstaaten Nordafrikas genügend Raum gegeben für europäische Ausbreitung.
Zunächst kam Ägypten an die Reihe. Die wesentlich gesteigerte Rolle, die das alte Phara-
onenland seit der Eröffnung des Suezkanals spielte, hatte den Vızekönig Ismael zu umfassenden
politischen Unternehmungen verleitet, die zwar erfolgreich waren aber einen finanziellen Zusammen-
bruch zur Folge hatten. Auf Betreiben der Grossmächte wurde Ismael 1879 abgesetzt, und die
Niederwerfung der sich anschliessenden nationalen Erhebung wurde von England, dem Frankreich
in grosser Kurzsichtigkeit zur Seite zu treten sich weigerte, im Sinne einer Besetzung Ägyptens
ausgenutzt; unter Wahrung der türkischen Oberhoheit und der Selbständigkeit des Vizekönigs
wurde die tatsächliche englische Herrschaft aufgerichtet. In den folgenden Jahren wurden grosse
Teile der währenddem zusammengebrochenen ägyptischen Herrschaft am oberen Nil wieder
gewonnen, zuletzt unter scharfer Zurückweisung französischer Bestrebungen, und durch einen
Vertrag zwischen England und dem Khedive wurde ein ägyptisch-englisches Kondominium ein-
gerichtet, das den Eingländern die tatsächliche Regierung des Sudans ın die Hand gab.
Im engen Zusammenhang mit diesen Vorgängen im östlichen Mittelmeer vollzog sich gleich-
zeitig im westlichen eine bedeutsame Veränderung. Der Streit um den Besitz des an der wichtigen
Strasse von Pantellaria gelegenen nordafrikanischen Gebietes entschied sich zu Gunsten Frankreichs.
Jahrelang hatte Italien, dessen Volkstum schon längst nach den afrıkanischen Gegengestaden
hinübergedrungen war, dıe Möglichkeit auch politisch von dem wertvollen Kolonialgebiet Besitz zu
nehmen, ohne sie auszunutzen. So griff die romanische Schwesternation zu und erwarb Tunis 1881
im Sinne des Protektorats. Das schwer getroffene Italien suchte nun in Anlehnung an das deutsch-
österreichische Bündnis, dem es 1883 beitrat, den ersehnten neuen Raum am Mittelmeer zu gewinnen
und verfolete während 11, Jahrzehnten eine scharfe antifranzösische Politik. Indessen die daran
geknüpften Hoffnungen erfüllten sich nicht, so dass die italienische Regierung 1896 eine Schwen-
kung vollzog und sich allmählich Frankreich wieder näherte. Noch hielt sich Italien dem Sudan-
vertrage vom 21. März 1899 fern, der die zwischen England und Frankreich schwebenden strittigen
Fragen beseitigte und das Sudangebiet zwischen den beiden Grossmächten aufteilte. Aber gleich-
zeitig ging es auf eine Ablenkung eın, die die französische Diplomatie überaus geschickt in Rom
einleitete. Es richtete sein Augenmerk auf das adriatische Gegengestade Albanien, in das man über
Montenegro wirtschaftlich eindrang, und stellte sich dort dem österreichischen Vorgehen entgegen.
Dazu lıess es sich den Besitz Tripolitaniens einräumen, was im Herbst 1901 durch ausdrückliche
Abmachungen mit England und Frankreich sanktioniert wurde. Das waren aber alles nur provi-
sorische Ergebnisse; dıe Entwickelung der Mittelmeerverhältnisse drängte weiter.
Wie Tunis sollte auch das von der türkischen Herrschaft frei gebliebene Marokko dem fran-
zösischen Kolonialreiche eingefügt werden, um so Nordwestafrika zu einem zusammenhängenden
Länderbesitz zu machen. Auch Marokko war allmählich Schauplatz europäischer Handelstätigkeit
geworden, und in der Madrider Konferenz vom 3. Juli 1880 hatten sich die Mächte mit Sultan Muley
Hassan über einen einheitlichen Vertrag verständigt. Eifersüchtig wachten die an den Mittelmeer-
verhältnissen näher interessierten Staaten über die gleichmässige Geltung, so dass es schien, als ob
Marokko die Rolle eines zweiten von Europas Gnaden lebenden Konstantinopels spielen werde.
Aber die Verfolgung der eigenen politischen Pläne führte die Mächte zu einem Anerkennen
der französıschen Ansprüche auf das kostbare Land. Die erste Etappe bildet der französisch-eng-