Full text: Handbuch der Politik.Dritter Band. (3)

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Felix RBRachfahl, Dreibund und Dreiverband. 
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wohlwollende Neutralität zusagten, und die Dreikaiserentrevue von Skierniwice im September 
desselben Jahres. Die Unvereinbarkeit der österreichischen und russischen Interessen drückte, 
wie früher, so auch jetzt, von vornherein solchen Versuchen den Stempel der Unmöglichkeit auf. 
In den Balkanwiırren, die um die Mitte der achtziger Jahre durch die russischen Versuche einer 
Einmischung ın Bulgarien hervorgerufen wurden, und die den österreichisch-russischen Gegensatz 
sofort wieder erweckten, hat Bismarck alles sorgfältig vermieden, was in Russland verletzen konnte. 
Noch stand Italien damals fest zum Dreibunde; russisch-französische Lockungen, es davon durch 
das Angebot von Trient oder des Trentino abzuziehen, fanden keine Aufnahme. Anfang 1887 wurde 
der Dreibund erneuert, und zwar dieses Mal durch ein einziges Vertragsinstrument, so dass er jetzt 
„zum ersten Male eine wırklich Triple-Allianz war.‘‘ Als eben solche sollte er sich auf fünf Jahre er- 
strecken; doch sollte daneben und ın Zukunft das deutsch-österreichische Bündnis wie früher mit 
automatischer Selbstverlängerung weiterlaufen; es bedurfte also (im Gegensatze zum Verhältnisse 
zwischen allen drei Bundesstaaten) keiner besonderen Verlängerung. Es wird berichtet (mit welchem 
Recht, bleibe dahingestellt), dass damals Österreich auch die Erklärung abgegeben habe: es wünsche 
die Erhaltung des status quo auf dem Balkan; solle es sich trotzdem zu einer Erweiterung seines 
Gebietes daselbst genötigt sehen, so solle Italien sich gleichfalls auf dieser Halbinsel festsetzen 
dürfen. Soviel ıst sicher, dass Italien damals seine Augen auf Albanien, zumal Valona, geworfen 
hatte und bei territorialen Vergrösserungen Österreichs auf der Balkanhalbinsel auch seine An- 
sprüche daselbst geltend zu machen trachtete. Da war es für Österreich ratsamer, von einer Er- 
weiterung seines (Gebietes hierselbst abzusehen: denn wenn im Zusammenhange damit Valona 
italienisch wurde, so wurde das adriatische Meer ein italienisches Binnengewässer und Österreich 
der freie Ausgang zum Mittelmeere verpserrt. 
Förmlich war zwar also der Dreibund erneuert und befestigt; ın Wahrheit schob nun freilich 
die Balkanfrage einen Keil zwischen Österreich und Italien, und ganz ähnlich ward es mit dem 
Verhältnisse zwischen Österreich und Deutschland bestellt. Die Wahl Ferdinands von Koburg 
(Juli 1887) zum Fürsten von Bulgarien wider den Willen Russlands fand zwar Österreichs, aber 
nicht Bismarcks Billigung, der in dem Unternehmen des Koburgers lediglich ‚‚eine frivole Gefähr- 
dung des Friedens“ erblickte. Als er trotzdem beim Zaren der geheimen Begünstigung Ferdinands 
durch gefälschte Schriftstücke verdächtigt wurde, überzeugte er (November 1887) Alexander III 
von der Grundlosigkeit dieser Anschuldigung, und es kam sogar dabei der sog. „Rückverischerungs- 
vertrag‘ zustande: Deutschland und Russland sicherten sich darın (alleın für sich, nicht mehr wie 
1884 ın Gemeinschaft mit Österreich, wodurch die Sache ein anderes Gesicht bekam) für drei Jahre 
wohlwollende Neutralität für den Fall zu, dass die eine von ihnen durch eine dritte angegriffen 
würde. Dadurch wurde Deutschland für den Fall eines Angriffes durch Frankreich der Rücken 
gegen Russland gedeckt, und Deutschland musste seinerseits bei einem Angritfe Österreichs gegen 
Russland neutral bleiben. Durch seine Allianz mit Österreich war ja nun freilich diesem gegenüber 
zur Hilfeleistung nur im Falle eines russischen Angriffes verpflichtet; immerhin wurde durch den 
neuen Vertrag, da ja Offensive und Defensive Begriffe von zweifelhafter Natur sınd, ein unklares 
Verhältnis geschaffen; man konnte fragen, ob er dem Geiste des Bündnisses von 1879 entspreche, 
und jedenfalls musste dessen Wert grundsätzlich und auf die Dauer durch ihn für Österreich stark 
vermindert werden, zumal da Bismarck in der Tat in der Folgezeit im allgemeinen den Kurs mehr 
zu Russland als zu Österreich hielt. Schliesslich ist er ja auch darüber (noch mehr als über seine 
innere Politik) zu Falle gekommen. Als im Winter 1889/90 eine russisch-österreichische Entzwei- 
ung drohte, fand der junge Kaiser, dass Bismarck mehr zu Russland stehe, als sich mit seinen 
eigenen Absichten vertrug, die auf unbedingte Bundeshilfe gerichtet waren. Der Rückversiche- 
rungsvertrag wurde, alser 1890 ablief, nicht mehr erneuert, und nun vollzog sıch die endgültige 
Festlegung der Gruppierung der grossen Mächte des Festlandes, wie sie sich allmählıch seıt dem 
Frankfurter Frieden vorbereitet hatte. Der Dreibund wurde, und zwar noch vor seinem Äblaufe, 
nämlich 1891, auf sechs Jahre mit der Bestimmung verlängert, dass er ohne weiteres, wenn bis 
1897 keine Kündigung erfolge, noch sechs Jahre in Kraft bleiben solle, also bis 1903. Und auf der 
andern Seite wurde nunmehr der russisch-französische Zweibund perfekt, der ja schon lange 
gleichsam in derLuft gelegen hatte und durch die gemeinsamen Kriegstreibereien der französıschen 
  
  
  
    
  
 
	        
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