Felix Rachfahl, Dreibund und Dreiverband.
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— wurde in der Folgezeit noch mehr festgelegt, und zwar vornehmlich unter dem Einflusse der
Marokkofrage. Noch 1898 war es zwischen England und Frankreich zu dem für dieses Letztere
beschämenden Zusammenstosse wegen der Faschoda-Angelegenheit gekommen, und ein erster
Versuch Delcasses (1901 bis 1903), durch einseitiges Abkommen mit Spanien das französische
Protektorat in Marokko einzuführen, scheiterte am Widerstande Grossbritanniens. Aber allzugross
war in England das Streben nach neuen Allianzen, als dass man hier nicht schliesslich doch Marokko
als Brücke zu einem Eınverständnisse mit Frankreich gegen Deutschland benutzt hätte; so kamen
die englisch-französisch-spanıschen Geheimverträge von 1904 zustande, denen zufolge Marokko
zwischen Frankreich und Spanien aufgeteilt wurde, wogegen Frankreich den Engländern in Ägypten
freieHand gab. Deutschland,das wichtige Interessen in Marokko hatte, erhob dagegen Einspruch, dass
ohne sein eigenes Zutun über dieses Land verfügt wurde. Auch hier rückte Italien vom Dreibunde
ab; durch seinen Tripolisvertrag mit Frankreich ın der nordafrikanischen Politik gebunden, tanzte
es in der Marokkofrage seine ‚Extratour‘, wie sich Bülow ausdrückte. Das trat besonders deutlich
auf der Konferenz von Algecıras 1906 hervor, und die französisch-italienische Flottenverbrüderung
im Herbst 1906, an der sich auch eın englisches Geschwader beteiligte, liess an intimer Herzlichkeit
nichts zu wünschen übrig; sie brachte jedenfalls die (mit den formalen Allianzen keineswegs im Ein-
klange stehende) faktische Gruppierung der Mächte zu sıichtbarem Ausdrucke.
Wurde so der Dreibund ziemlich brüchig, so verstärkte sich nunmehr andererseits der Zweı-
bund zum ‚‚Dreiverbande‘‘. Wie England und Frankreich ın Nordafrika, so hatten sich England und
Russland noch um dıe Jahrhundertwende in Ostasien entgegengearbeitet. Nachdem aber hier
Japan die Geschäfte Englands besorgt und Russland unschädlich gemacht hatte, löste sich diese
Spannung, und der Einfluss Frankreichs auf seinen Alliierten Russland, sowie die ‚„Einkreisungs-
politik“ Eduards VII. gegen Deutschland führten auch England und Russland nunmehr zusammen.
In der Konvention vom 31. August 1907 über die Abgrenzung der beiderseitigen Interessensphären
ın Persien opterte die grossbritannische Politik Russland Nordpersien und ıhre Absichten auf Tibet.
In der Balkanfrage ging fortan die Tripleentente gemeinsam vor, während ım Dreibunde zunächst
der alte Riss noch klaffte.e Im Zusammenhange mit der jungtürkischen Revolution und der Ein-
führung des Konstitutionalismus ım osmanischen Reiche machte Kaiser Franz Josef der wesen-
losen Suzeränität der Pforte über Bosnien und der Herzegowina eın Ende, indem er (am 5. Oktober
1908) die blosse Okkupatıon dieser Länder ın eine förmliche Annexion verwandelte; wenn er dabeı
auf den Sandschak Novı-Bazar verzichtete, wo er ja das militärische Besatzungsrecht hatte, so
spielte dabei augenscheinlich dıe Rücksicht auf eventuelle Kompensationsforderungen Italiens
bezüglich Albaniens mit. Serbien protestierte gegen die Einverleibung Bosniens und der Herzego-
wına und begehrte seinerseits ‚‚territoriale Kompensationen‘“, in der Hoffnung auf Rückhalt bei
Russland und dadurch bei der gesamten Triple-Entente. Und während bei dieser völlige Einhelligkeit
obwaltete, war der Dreibund uneins; sichere Anzeichen weisen darauf hin, dass Italien damals nıcht
abgeneigt war, Österreich-Ungarn in den Rücken zu fallen. Aber gestützt durch Deutschlands
energischen Beistand, setzte das Donaureich seinen Willen durch: Serbien musste im Frühjahre 1909
abrüsten und demütig zu Kreuze kriechen. Wenn Österreich und Deutschland nur wollten, diktierten
sie Europa ihren Willen. Ahnlich war der Verlauf der Balkankrisis von 1912/13, nur dass dieses Mal
im Dreibunde Übereinstimmung herrschte. Österreich und Italien stimmten darin überein, keinen
Ländergewinn auf der Balkanhalbinsel anzustreben, sondern ein autonomes Albanien zu schaffen.
Tatsächlich ist auch der Dreibund Anfang 1913 wieder erneuert worden, und es ist jetzt, wıe es
scheint, eine wirkliche Festigkeit erzielt worden. Diesem nunmehr innerlich geschlossenen Drei-
bunde gegenüber nutzte den Serben bei der erneuten Überspannung ihrer Ansprüche die Hoffnung
auf Russland ebensowenig, als vier Jahre zuvor, und es ist den Balkanvölkern jetzt, wıe es scheint,
doch zum Bewusstsein gekommen, dass die russische Politik der jüngsten Vergangenheit nicht
sowohl auf eine selbstlose Förderung der Balkanstaaten ausgeht, wie vielmehr darauf, diese für
einen Krieg mit Österreich in ihr Gefolge einzufangen und für sich selbst nutzbar zu machen. Ein
solcher liegt aber keineswegs in ihrer aller Interesse, und in seiner eigenen Lage dürfte Russland
für einige Zeit zu einem solchen keinen besonderen Antrieb erblicken, nachdem es ihn bisher nicht
gewagt hat.