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Hans Uebersberger, Balkanstaaten und Balkanbund.
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P. Miljukov, Balkanskij Krizis. St. Pet. 1910 (russ... M. Ekrem Bei Viora. Aus Berat und vom Tomor,
Sarajavo 1911. Stojan Novakovic, Najnovija Balkanska Kriza 1 Srpsko Pitanje, Belgrad 1910 (serb.).. Anketa po
Makedonskija ı Balkanskıja Väpros, Sofia 1910 (bulg.). L. Niederle, Slovansky Svet, Prag 1910. Uber die letzten
Ereignisse bis zum bukarester Frieden vergl. meine Artıkel in der „Neuen Freien Presse“: „Bulgarıen und seine
Bundesgenossen“ Nr. 17 624 vom 16. Sept., ..Der Streit um Mazedonien“ Nr. 17631 vom 23. Sept. und .„Bul-
sarien und Griechenland“ Nr. 17719 vom 23. Dez. 1913. Das was bisher von den Balkanvölkern dazu ver-
öffentlicht wurde (balkanıcus [Pseudonym für den serbischen Minister des Innern Stojan Protic] und Kl. Nikolai-
des ist höchst einseitig und ohne dokumentarischen Beleg. Eine Ausnahme bildet nur die „Rede des Dr. Nikola
Ghenadiew. Minister des Aussern und tür Kultus, gehalten am 3. Dez. 1913 im städtischen Kasino in Sofia,
Sofia 1913“ (bulg.), die eine Masse von Auszügen aus Akten der Regierungen Geschow und Danew enthält.
Mit der Bildung selbständiger christlicher Staaten auf der Balkanhalbinsel im ehemaligen
Staatsgebiete des osmanischen Reiches seit dem Beginne des 19 Jahrhunderts begann für dieses
die Zeit heftiger innerer und äusserer Krisen. Dem ursprünglichen Vasallıtätsverhältnisse dieser
christlichen Staaten zur Pforte folgte ıhre vollständige Unabhängigkeit mehr oder minder rasch
auf dem Fusse. Am meisten hat dazu der russisch-türkische Krieg von 1877/8 beigetragen, wenn
auch dessen Ergebnisse vom Berliner Kongresse nur in sehr modifizierter Form sanktioniert wurden.
Von allen auf dem Boden des türkıschen Reiches entstandenen Nationalstaaten wie Rumänien,
Serbien, Montenegro und Griechenland blieb nur Bulgarien unter gewisser formeller Souveränität
der Pforte. Eigentlich hätte man erwarten dürfen, dass mit diesen Ereignissen die Orientkrise,
die Europa schon so lange ın Atem hält, ıhren Abschluss gefunden habe. Dem war aber nicht so.
Diese neuen Staaten knüpiten bewusst an ıhre Vergangenheit vor der türkischen Eroberung an.
„Die politischen Ideen der Balkanvölker”, sagt ein ausgezeichneter und unparteiischer Kenner
ihrer Vergangenheit und Gegenwart (K. Jirecek), „suchen meist dıe Geltendmachung wirklicher
oder vermeintlicher historischer Rechte. Diese Rechte werden nach einer fünfhundertjährigen
Unterbrechung oft durch das Prisma der Volksüberlieferung, der Sage und des epischen Liedes
betrachtet, welches alle Dimensionen verschiebt. Dazu kommt eine Überschätzung der Kräfte,
bemerkbar zum Beispiele beı dem Angriffe des serbischen Königreiches (1885) auf Bulgarien nach
der Vereinigung von Ostrumelien oder des griechischen Königreiches auf die Türkeı (1897), um
Kreta zu gewinnen.‘ So träumen die Serben noch immer von einem Gross-Serbien, das ‚vom Tımok
bis an das adriatische Meer und vom Wardar bis nach Krain unter die Alpen‘ reicht (St. Novakovic,
die letzte Balkankrise und die serbische Frage), obwohl das gross-serbische Reich Stephan Duschans
nach Norden nıcht einmal Bosnien ın sıch schloss. Seit dem Regierungsantritte der neuen Dynastie
(1903) hat die serbische Politik sich allerdings vor allem gegen Österreich, also gegen Westen und
Nordwesten gerichtet und der Pforte damit eine Erleichterung verschafft, umsomehr als auch
dıe serbische Propaganda ın Mazedonien ıhren gefährlichsten Gegner ın den Bulgaren erprobte.
Auch die ‚‚grosse Idee‘ (megalı idea) der Griechen, die darin gipfelt, an Stelle des osmanischenReiches
ın Europa ın Erinnerung an das alte byzantınısche ein griechisches zu setzen, wäre für dıe Pforte
nach den vernichtenden Niederlagen des griechischen Heeres im Jahre 1897 kaum mehr gefährlich
geworden. Diese ‚‚grosse Idee‘ der Griechen war übrigens schon ın dem Augenblicke ein Traum-
gebilde geworden, als sich die Emanzipation der Rumänen und Serben unter einem nationalen
Epiıskopat vom Patriarchat vollzog und dıe Bulgaren sıch gar vollständig trennten und (1871) ım
Exarchat sıch dıe oberste kırchliche Behörde schufen. ‚Darauf hörten alle nıchtgriechischen Be-
lkenner der orientalischen Kirche auf, der griechischen nationalen Idee dienstbar zu sein, die dadurch
naturgemäss stark geschwächt wurde. In der Kretafrage hatte dıe Pforte trotz ıhrer Waffenerfolge
durch das Eingreifen der Mächte nicht ihren Willen durchgesetzt, aber über dıe formelle Zugehörig-
keit zum türkıschen Reiche wachten doch die europäischen Grossmächte. Unter diesen Verhält-
nıssen hätte eigentlich mit Beginn des neuen Jahrhunderts eine Entspannung ın der Gewitter-
atmosphäre am Bosporus eintreten müssen, wenn nicht der Schwerpunkt der politischen Sıtuation
am Balkan ın einer anderen Frage gelegen wäre. Es ıst dıe Frage des Grossbulgarıen, das zum
Unterschiede von den Träumereien anderer Balkanvölker wirklich einmal schon (1m Vertrage von
San Stefano 1878) greifbare Gestalt angenommen hatte. Da aber dieses Grossbulgarıen das Ende
der türkischen Herrschaft in Europa bedeutet hätte, wurde seine Existenz am Berliner Kongresse
vernichtet. Durch die Vereinigung Ostrumeliens mit dem Fürstentum Bulgarıen (1885) wurde