Full text: Handbuch der Politik.Dritter Band. (3)

  
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Paul Wölbling, Der Tarifvertrag. 
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Bekämpfung unlauterer Konkurrenz usw. Mit Unrecht wird von einer Reihe von Juristen die Ge- 
meinsamkeit der Ziele wegen des Interessengegensatzes von Arbeitgebern und Arbeitern geleugnet.!*) 
Der gesetzlichen Regelung können meines Erachtens die Tarifverträge auf die Dauer nichtent- 
behren. Es wäre an sich schon eine Anomalie, wenn ein so wichtiges Rechtsgebiet, welches in unserem 
bestehenden Recht nur eine sehr unvollkommene Stütze findet, vollkommen seiner eigenen Ent- 
wicklung überlassen bleiben sollte. Das muss notgedrungen Ja wieder zu der Schaffung einer Auto- 
nomie wirtschaftlicher Körperschaften führen, zu der der Deutsche so sehr neigt und die wir erst 
vor nicht allzu langer Zeit glücklich überwunden zu haben glaubten. 
Nur durch eine gesetzliche Regelung kann der Zusammenhang der Tarifverträge mit den 
bestehenden Recht gewahrt und ein gefährliches Zunitwesen vermieden werden. 
Abgesehen davon aber, dass die Tarifverträge nun eınmal da sınd, erfüllen sie somit wichtige 
Funktionen. Diese Aufgabe wird aber durchden bestehenden Rechtszustand erschwert. Zunächst 
bedarf eseiner den Arbeitern auf den Leib zugeschnittenen Form für die Rechtsfähigkeit der 
Berufsvereine, die die Hauptträger der Tarifverträge sind. Sodann stehen der Durchführung der 
Tarifverträge die $$ 152, 153 GO. hindernd im Wege. Sıe bedürfen einer Modıfikation. Schliess- 
lich muss unser Einigungswesen, besonders durch Schaffung einer obersten Instanz, ausgebaut 
werden.!?) 
Die ausserdem für die gesetzliche Regelung in Betracht kommenden Fragen lassen sich am 
besten aus dem nachstehend abgedruckten Gesetzentwurf entnehmen, den ich zum Zwecke des 
Studiums der Frage aufgestellt habe.!®) 
  
  
  
Entwurfeines Gesetzes über Tarifverträge. 
$ 1. Tarifverträge müssen ıhr räumliches und persönliches Geltungsgebiet angeben und ge- 
sondert Rechte und Pflichten der einzelnen und der Gesamtheiten aufführen. 
82. Derjenige Teil eines Tarifvertrages, welcher ausdrücklich zum Inhalt künftiger Dienstver- 
träge bestimmt ıst, gılt, auch trotz entgegenstehender Arbeitsordnung bei allen zwischen den Tarıf- 
vertragsparteien geschlossenen Dienstverträgen als vereinbart. 
$ 3. Die Parteien dürfen tarıfwidrige Dienstverträge nicht abschliessen oder vertragswidrig 
dulden. — Tarıfwıdrige Dienstverträge zwischen den Parteien sind jederzeit fristlos kündbar. 
$ 4. Neben einem Verein von Berufsgenossen, welcher deren gemeinsame wirtschaftliche 
Interessen als Arbeitgeber und Arbeiter verfolgt (Berufsverein) gelten seine Mitglieder als Vertrags- 
parteien. 
$ 5. Innungen stehen in Ansehung der Tarifverträge den Berufsvereinen gleich. 
$ 6. Aus einem Tarifvertrage kann jeder Berufsverein, und zwar auch als Vertreter seiner 
Mitglieder, klagen. 
$ 7. Für tarıfwıdrıge Handlungen seiner Mitglieder haftet ein Berufsverein nur, wenn er sie 
veranlasst oder auf Aufforderung des Verletzten nicht verhindert hat. 
8 8. Berufsvereine können von ihren Mitgliedern fordern, dass sie ihre Tarifpflichten erfüllen. 
8 9. Ausscheiden aus einem Berufsverein befreit nicht von den Tarifpflichten. 
$ 10. Beı Auflösung eines Berufsvereins haftet sein Vermögen für die Dauer des Tarifver- 
trages, mindestens aber noch drei Jahre. Die Auflösung gilt als Kündigung des Tarifvertrages. 
  
  
  
  
*) Sinzheimer, Gewerbe-Kaufmannsgericht XIX, will die Tarifgemeinschaften zu Organen objektiven 
Arbeiterrechts erheben. Das würde über die öffentlichen Korporationen zugestandene, von staatlicher 
Genehmigung abhängige Automie gehen und mit der ganz ungleichen Qualität der Tarifgemeinschaften 
nicht zu vereinbaren sein. Die Entscheidungen der Tarifinstanzen brauchen nicht lediglich auf Schiedsvertrag 
zu beruhen, denn die Personen, deren Rechtsstreitigkeiten entschieden werden, brauchen nicht identisch mit 
denjenigen zu sein, die das Schiedsgericht anrufen. Wegen der Natur der Tarifgemeinschaft vergl. R. G. 
Entsch. des I. Ziv.-Sen. vom 22. 3. 1911. cf. Dass. Gewerbe- u. Kaufmannsgericht XV; 422—430. 
1°) 8. meine Vorschläge in meiner Schrift: Brauchen wir ein Reichseinigungsamt. S. 73—86; 145. Bericht 
der Petitionrkommission des Reichstaga. 12. Leg.-Per. II. Sess. 1909/1911 Nr. 1219. 
.*) Seine ausführl. Begründung erscheint demnächst im Verlage von Franz Vahlen. 
  
  
   
	        
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