Hans Uebersberger, Balkanstaaten und Balkanbund. 351
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organisiert waren, suchten sie ihre Privilegien zu nehmen. Vor allem betraf dies die Frage der
nationalen Schulen, die von den Millets erhalten wurden und die naturgemäss ein starkes Hindernis
der Vereinheitlichung des Reiches im jungtürkischen Sinne bildeten. Da aber in diesen Millets
Konfession und Nationalität (mit Ausnahme der Albanesen) zusammenfielen, so riefen diese gegen
die Millets gerichteten Massregeln natürlich bei den Konnationalen jenseits der türkischen Grenze
ein gewaltiges Echo hervor. Hatten ursprünglich die ottomanischen Bulgaren, Serben und Griechen
das jungtürkische Regime mit Begeisterung begrüsst, so war jetzt die Enttäuschung um so grösser.
Mit ihrem ganzen Hasse erwiderten sıe die zentralistisch-nationalistischen Tendenzen der Jung-
türken. Vielleicht wäre diese Feindschaft für das neue Regime zu ertragen gewesen, vielleicht hätten
auch ihre konnationalen Staaten jenseits der Grenze es nicht gewagt, ihnen zu Hilfe zu kommen,
wenn nicht die Jungtürken darauf ausgegangen wären, die Herrschaft der Pforte in Europa einer
weiteren schweren Belastungsprobe auszusetzen. Es war dies ihre Stellungnahme gegenüber den
nationalen Bestrebungen der Albanesen, deren politische Wünsche ohne Schädigung für das Staats-
ganze im Rahmen des osmanischen Reiches leicht hätten Befriedigung finden können. Bei einer
rechtzeitigen Gewährung einer nationalen Autonomie hätten dıe 1!/, Millionen Albanesen die stärkste
Stütze des neuen Regimes werden können, was umso notwendiger war, als die Zahl der Türken in
der europäischen Türkei kaum 2 Millionen ausmachte. Allein die Jungtürken waren solcher Er-
wägungen unzugänglich. Die Folge davon war, dass die Aufstände ın Albanıen seit dem Antritte des
neuen Regimes nicht von der Tagesordnung schwanden. Eın grosser Teil der Energie musste auf
deren militärische Unterdrückung verschwendet werden. Namentlich seit dem Frühjahr 1912 ver-
schärfte sich der Gegensatz zwischen der jungtürkischen Regierung und den Albanesen. Die Lage
schien sogar eine Zeitlang durch einen Zug der Albanesenführer auf Salonıkı für den Bestand des
türkischen Reiches äusserst gefahrdrohend. Und dies um so mehr, als auch beträchtliche Teile des
türkischen Heeres mit den sich erhebenden Albanesen offen sympathisierten. Die schon längst vor-
handene Spaltung ım türkischen Offizierskorps in Jungtürken und Anhänger der sogenannten Liga
trat offen in Erscheinung. Dem Programme nach standen die letzteren der Gruppe der liberalen
Vereinigung des türkıschen Parlaments, der erbitterten Gegnerin der Jungtürken, nahe. So kam es,
dass die jungtürkische Regierung an der albanesischen Frage stürzte und ihre Nachfolgerin, den
Reihen ihrer Gegner entnommen, den Albanesen die Erfüllung ıhrer Forderungen zusagte.
Dieser Erfolg der Albanesen wurde aber für die Balkanstaaten, vor allem für Serbien und
Bulgarien zum letzten Anlass, den schon längst vorbereiteten Schlag gegen die Pforte zu führen.
Man fürchtete nämlich ın Belgrad und Sophia, dass die Albanesen, im Besitze einer nationalen Auto-
nomie, Altsefbien, Mazedonien, wo sie sich ohnedies seit langem anzusiedeln und auszubreiten be-
gannen, und ıhre eigene Heimat fester an das türkische Reich knüpfen, als es die eigenen Wünsche
auf Abtrennung und Einverleibung dieser Gebiete wünschenswert erscheinen liessen. Dazu kam,
dass dıe öffentliche Meinung Serbiens und Bulgariens aus den inneren Streitigkeiten der türkischen
Parteien und der Spaltung im türkischen Offizierskorps die Überzeugung gewann, dass die
Türkei ın voller Auflösung begriffen und nun der Augenblick zum energischen Handeln gekommen
-sel. Das Alles zusammengenommen war die letzte unmittelbare Ursache zum Ausbruche des
Balkankrieges ım Herbste 1912.
Die diplomatischen Vorbereitungen waren unter Russlands Beihilfe schon längst hiezu
getroffen worden. Hatte schon Izwolskij im Ringen mit Ährenthal die Idee des Balkanbundes als
Gegenzug gegen Österreich zu verwirklichen getrachtet, so war ihre Verwirklichung seinem Nach-
folger, dank der Gunst der Umstände, im Frühjahre 1912 gelungen. Das am 13. März 1912 ab-
geschlossene Bündnis zwischen Serbien und Bulgarien war ebenso sehr gegen die Pforte wıe gegen
Österreich-Ungarn und Rumänien gerichtet. Für die russische Diplomatie war es wichtig, um
Serbien in Russlands Schlepptau gegen Österreich-Ungarn zu erhalten, diesem in Bulgarien eine
Rückendeckung gegen die Donaumonarchie zu verschaffen. Serbien aber hatte ausser seinen,
wie oben bemerkt wurde, seit 1903 offen zur Schau getragenen Aspirationen auf von seinen Stammes-
genossen bewohnte Gebiete Österreich-Ungarns lebhafte Befürchtungen, dass der österreichische Ein-
fluss in einem autonomen Albanien ihm auch von Süden her entgegentrete. Für Bulgarien aber war
es vor allem wichtig, die günstige Gelegenheit zur Lösung der mazedonischen Frage, die auf dem