Otto Hoetzsch, Die auswärtige Politik der Vereinigten Staaten von Amerika. 355
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Seit 1898 hat dieser Grundsatz allmählich sogar auch die Anerkennung der europäischen Mächte
gefunden.
Über den bisherigen Gedankenkreis hinaus nahm die Monroelehre zweiter Fassung, in der
sich die auswärtige Politik nach 1865 ausdrückte, schon in Aussicht, dass auch die noch vorhandenen
Kolonien europäischer Mächte auf amerikanischem Boden verschwinden würden und dass „die
Zeit wahrscheinlich nıcht mehr fern sei, da durch den natürlichen Gang der Ereignisse die politischen
Zusammenhänge Europas mit diesem Kontinente aufgehört haben werden, zu bestehen. Unsere
Politik muss sich nach dieser Wahrscheinlichkeit dahin wandeln, dıe Handelsinteressen der
hıspano-amerikanıschen Staaten enger mit den unseren zu verknüpfen und so den Ver-
einigten Staaten den Vorrang und alle die Vorteile zu verschaffen, die Monroe, Adams und
Clay ım Auge hatten, als sıe vorschlugen, am Kongress von Panama teilzunehmen.‘ (Bericht des
Staatssekretärs Fish an den Präsidenten Grant 1870). Anzuwenden versuchte man diese neue
Fassung der Monroelehre bei dem Erwerb von Dominica und Cuba sowie in dem Streben
die Verbindung der beiden Ozeane durch einen Kanal für die Union zu reservieren. Noch waren
es Anfänge, die nicht alle gelangen ; namentlich hing an dem Kanalbau noch die Fessel des Vertrages
von 1850 mit England, dıe die Union in ihren Entschlüssen an dieses band. Aber so bereitete sch
schon ın der Zeit vor Anfang der 90er Jahre die Wendung vor, die Europa dann doch
überraschte. Die pazifischen Interessen der Union wurden immer stärker, der Gedanke, selbst
Kolonien zu erwerben, gleichfalls immer verlockender, die Idee, um handelspolitischer Vorteile
willen ganz Amerika gegen die europäische Konkurrenz abzuschliessen, immer populärer. Aber
noch hatte man nicht das Gefühl, dass in diesem Programm bereits eine Notwendigkeit für die
amerikanische Zukunft vorliege, dass mit anderen Worten der Imperialismus auch für die Union
von Bedeutung werden könnte.
III. Expansionspolitik.
Diese Umwandlung hat sich nun deutlich in den 90 er Jahren vollzogen. Je mehr sich die
Union der ungeheuren Kraft bewusst wurde, die in ihrem wirtschaftlichen Leben lag, um so mehr
drängte alles heraus, diese Kraft na« h aussen zu betätigen, da sıe ım Innern als überschüssig empfun-
den wurde. Das Jahr 1898, in dem mit den Siegen von Cavite und Manila der vom Zaune gebrochene
ausgesprochene Kolonialkrıeg mit Spanien erfolgreich verlief, wurde ın der öffentlichen Meinung
als „Pivotjahr‘‘ empfunden. So sehr man die Monroedoktrin, — Amerika den Amerikanern, —
auf wirtschaftlichem Gebiete festhielt und bis heute festgehalten hat, so sehr hat man sie politisch
aufgegeben. Seıt1898 betrachten es die Vereinigten Staaten als ıhre Schicksalsaufgabe, ıhr ‚‚manifest
destiny“, eine selbständige erobernde Welt- und Kolonial- und Wirtschaftspolitik zu treiben.
Sie bewegt sich gewissermassen in konzentrischen Kreisen.
Der erste ıst das alte Kampfgebiet der Kolonialmächte, Westindien, in dem durch die Er-
oberung von Cuba und Portorico die Union festen Fuss gefasst hat und ın dem sie nun die
traditionelle Herrschaftssteliung Englands dort bedroht. In Verbindung damit haben die Pläne
einer interozeanischen Verbindung immer grössere Bedeutung gewonnen. Es ist das ent-
scheidend Neue in dieser Frage, dass es der Union 1902 gelang, die Fesseln des Vertrages von 1850
abzuschütteln; der Kanal, für den die Panamaroute nun endgültig gewählt wurde, wird nur von
Amerika gebaut und wird eine von ihm ausschliesslich kontrollierte Wasserstrasse. Im Sommer
1914 soll er zum Teil in Betrieb genommen werden, 1915 wırd er fertig sein und so ein gewaltiges
Wahrzeichen der Erfolge der Union in der Weltpolitik sein. Seine Bedeutung für den internationalen
Verkehr wird sich ja mit der des Suezkanals nicht messen können. Aber für die Vereinigten
Staaten selbst ist er von unendlicher Bedeutung, weil er die Verbindung zwischen Osten und Westen
ihres Staatsgebietes selbst ausserordentlich verkürzt und weil er die Weststaaten Südamerikas ın
eine ganz andere Nähe und ganz anders in den Bereich des nordamerikanıschen Einflusses zieht
als bisher.
Zunächst wurde durch die Erfolge des spanischen Krieges und in der Kanalfrage die Stellung
der Union in den romanischen Republiken Mittelamerikas immer überragender. Es scheint nıcht
so, als wenn das Lebenswerk von Porfirio Diaz in Mexiko Dauer haben werde. Revolution und
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