Otto Hoetzsch, Die auswärtige Politik der Vereinigten Staaten von Amerika. 359
wird das Interesse der westkanadischen Bevölkerung an den Vereinigten Staaten immer ETÖSSET
und an England und den Reıchsangelegenheiten immer geringer.
In der äusseren Politik sucht Präsident Wilson ganz logisch den in den letzten zwei Jahr-
zehnten vernachlässigten Grundsatz wieder zur Geltung zu bringen, dass die Monroelehre auch die
Nichteinmischung Amerikas ın die politischen Fragen anderer Staaten bedeute. Er gibt sich nicht
mit dem Schiedsgerichtsgedanken ab, auf den sein Vorgänger so grosse Hoffnungen setzte, denn
er will sein Land von den europäischen Gregensätzen ganz fernhalten; die alte Welt geht nach ihm
die Vereinigten Staaten einfach nıchts an. Ebenso soll ihre Politik in Mittel- und Südamerika nichts
zu suchen haben, wobei er sich aber doch vorbebaltenhat, die Beziehungen zu Mittel- und Südamerika
weiter zu entwickeln. So sollen sıch die Vereinigten Staaten aus der Weltpolitik, in die sie vor 15
Jahren so entschieden eintraten, wieder herausziehen, wie der Präsident sinngemäss auch in
striktem Gegensatz z. B. gegen Roosevelt eine starke Flotte nicht für notwendig erklärte. Die Zu-
kunft wird lehren, was diese Neuorientierung der grossen Politik der Vereinigten Staaten bedeuten
wird. Das wird man freilich schon von vornherein sagen können, dass bei dem engen Zusammenhang
von politischen und wirtschaftlichen Interessen eine solche Abstinenz gar nicht mehr möglich ist und
dass für ein Welthandelsvolk die Weltpolitik mit allen ihren Konsequenzen Naturnotwendigkeit ist
und bleibt. So wird sich nach menschlichem Ermessen die Haltung der Vereinigten Staaten in der
grossen Politik wesentlich von der bisherigen nicht unterscheiden.
V. Imperialismusundinnere Politik.
Die Wandlung, die der Umschwung der auswärtigen Polıtık ın den letzten 20 Jahren für
den ganzen Geist des amerikanischen Volkes mit sıch gebracht hat, ist schon früh beobachtet worden.
Man hat schnell eingesehen, dass eın Imperialismus, wıe er von den tatkräftigen Repu-
blikanern verfochten wurde, auf dıe Dauer nicht mit einer Demokratie zu vereinigen ist, auf die man
seit Menschenaltern ım Gegensatz zu Europa so stolz war. Man spürt es mehr und mehr, dass in
diesen Bestrebungen und Kämpfen der Einiluss der gesetzgebenden Körper zurücktreten und der
Einfluss der Exekutive, des Präsidenten stärker werden muss, und man empfindet das dann ım
Volk um so mehr, wenn doch das ganze System der Wahl des Präsidenten usw., dıe Besetzung dieser
wichtigen Stelle abhängig ıst und bleibt von den Unsicherheiten einer Wahlbewegung oder noch
mehr von den Drahtziehern, die für ıhre kapitalistischen Interessen ım Präsidenten ein gefügiges
Werkzeug suchen. Dagegen hat ja von Anbeginn dieser Politik an dıe demokratische Partei ıhren
Hauptwiderstand gerichtet. Während der Imperialismus als Programm der auswärtigen Polıtık
die Stellung des Präsidenten erhöht, streben die Demokraten mit der Ablehnung jener auswärtigen
Politik danach, die demokratischen Forderungen noch zu überbieten, mıt dem Wunsche einer
direkten Wahl des Senates durch das Volk oder durch Beseitigung der Bedeutung, dıe der höchste
Gerichtshof (High Supreme Court) für das Verfassungsleben hat. Dazu ist natürlich der demokra-
tischen Richtung auch ein Dorn im Auge, dass eine solche auswärtige Politik kriegerische Abenteuer
möglich macht, und dass sie militärische und noch mehr maritime Rüstungen fordert, dıe Opfer
kosten und abermals den Einfluss der Exekutive stärken. Auf die Dauer wırd solche Opposition
nicht möglich sein. Denn dieser Imperialismus erfliesst aus den Lebensnotwendigkeiten des amerI-
kanischen Staatswesens überhaupt. Freilich wird das darin ruhende Verfassungsproblem noch
sehr in seiner Bedeutung dadurch gesteigert, dass der Gegensatz von Kapital und Arbeit ımmer
klaffender werden muss. Die Zeiten, in denen jedermann Arbeit fand und frohgemut die
märchenhafte Erschliessung des Landes fortgesetzt wurde, sind vorbei; in grossen Ürganısationen
stehen sich Kapital und Arbeit gegenüber und suchen auch auf die Führung der auswärtigen Ge-
schäfte einzuwirken.
Sodann wird die auswärtige Politik dadurch berührt, dass die Frage noch nıcht
endgültig entschieden ist, weloher Rasse das Gebiet der Union dauernd gehören wırd. Angel-
sächsische, deutsche und skandinavische Elemente haben die Kolonisation durchgeführt und den
Staatsbau gefestigt, aber das eigentlich angelsächsische Element zeigt auch hier, wıe ın den eng-
lischen Kolonien sonst, dass ihm auf kolonialem Boden die Unfruchtbarkeit droht. Die Einwanderung
des deutschen Elements ist ausserordentlich zurückgegangen, seitdem Deutschland selbst seine