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Schachner - Riess, Japans wirtschaftliche und soziale Probleme.
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vom 28. März 1911 die Schutzbestimmungen sehr herabgemindert und durch Gewährung einer
15jährigen Gnadenfrist an gewisse Industrien die Verwirklichung des angestrebten Zieles wieder
hinausgeschoben. Besonders in der Textilindustrie, wo die Kasernierung der Arbeiter üblich ist,
sind grauenhafte Missstände eingerissen, die an die bösesten Kapitel ın der englischen Enquöte von
1842 bis 44 erinnern.
In keinem der grossen Industriestaaten werden Frauen und Kinder bis zum zartesten Alter
in gleicher Weise herangezogen und ausgebeutet.
Arbeiter aus der Textilindustrie.
Minderjährige |Minderjährige Minderjährige Minderjährige
Weibliche unter unter (unt.16 Jahren in Deutsch-
1909 Insgesamt unter | unter | j4nd unter 14 Jahren in
Arbeiter 14 Jahren 16 Jahren 14 16 Japan) und weibl. Arbeit.
Insges.| weibl. |Insges. | weibl. [Jahren |Jahren| über 16 bezw. 14 Jahren.)
Deutschland 879 218 464 393 36306 | 2312 | 80776 | 49992 |0,41 % | 9,6%, 56 9/,
(d. s. 53 °/o)
Japan 486 508 414 277 32367 1 30059 | — — |7% — 869),
| (d. s. 85%)
In der japanıschen Industrie arbeiten dıe Räder Tag und Nacht und bei der gleichen Löhnung
für beide Schichten werden sogar dıe Nachtzeiten noch bevorzugt, weil man dann noch des Tages
über ım Hause arbeiten kann. Nicht einmal der Sonntag hat sıch als Ruhetag durchgesetzt, ın
vielen Industrien ıst es der monatliche Reinigungstag, der eine Unterbrechung bringt, im günstigsten
Fall ıst am ersten und fünfzehnten des Monats Stillstand der Fabrik. Diese Rastlosigkeit im Arbeits-
prozess bei einer Arbeitsdauer von 14 Stunden und mehr, ım günstigsten Fall, beim Schichtwechsel,
von 12 Stunden, führt zu eigenmächtigen Arbeitsunterbrechungen, die die Unternehmer zwingen,
sich eine kostspielige Reservearmee zu halten.
Von einer Gewerbehygiene oder Betriebssicherheit kaum dürftige Anfänge! Am schlimmsten
scheint es ım Bergbau auszusehen trotz eines Gesetzes vom Jahre 1905; aber auch die Verhältnisse
ın der Industrie wurden mir durch den Besuch einer Zündholzfabrık von Osaka beleuchtet, wo
Frauen mit Säuglingen an der Brust und Kinder schon von 3 Jahren an ın einem von üblen Dünsten
erfüllten holzgebauten Raum arbeiteten. Die Schulpflicht hindert an der Fabrıktätigkeit der
Jugendlichen nicht vıel, denn sie wırd nicht allzu scharf eingehalten und hat ın der Notlage der
unteren Klassen ıhre Grenze; dıe Schule selbst hat mit der Schwierigkeit der japanıschen Schritt
allein eine Bürde, die eine wertvolle Gesamtbildung in dem Rahmen der vorgeschriebenen vıer Jahre
nicht zulässt.
Das Arbeiterschutzgesetz vom 28. März 1911 bezieht sich nur auf Fabriken mit mehr als 15
Arbeitern entgegen dem Regierungsvorschlag, der 10 Arbeiter als Grenze wollte, fasst nur Betriebe,
die „gefährlich oder gesundheitsschädlich‘ sind, und lässt auch da noch, ‚wo die Anwendung des
(Gesetzes nicht erforderlich erscheint“, Ausnahmen durch kaiserliche Verordnung zu. Die Tätigkeit
von Kindern unter 12 Jahren ist ın Zukunft ausser für leichte und einfache Arbeiten, wo dıe Ver-
waltungsbehörden Personen von 10 Jahren an zulassen können, verboten. Für Kinder unter 15
Jahren und Frauen ist eine Maximalarbeitszeit von 12 Stunden festgesetzt, doch kann während 15
Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes vom Minister des Innern noch eine Arbeitsdauer von 14
Stunden erlaubt werden; das Verbot der Nachtarbeit zwischen 10 Uhr abends und 4 Uhr morgens
für die gleichen beiden Gruppen wäre ein gewaltiger Fortschritt, wenn es nicht durch eine Reihe von
Arbeiten, die ihrem Charakter oder sonstiger Eigenart nach Tag- und Nachtarbeit oder Nachtarbeit
erheischen und vom Minister noch festgesetzt werden, durchbrochen wäre. Erst 15 Jahre nach
dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ist die Beschäftigung von Personen unter 14 Jahren und Frauen
unter 20 Jahren für die Nachtzeit völlig untersagt. Als Ruhetage sind nur für Arbeiterinnen und