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Philipp Zorn, Friedens- und Kriegsbündnisse.
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durch die Verschiedenheit der Völkerbestandteile des Doppelstaates besonders schwer; die junge
Staatseinheit von Italien und Deutschland ist noch weit entfernt von der Lösung der ihr gestellten
nationalen Probleme; in anderer Weise gilt dies ebenso von der jüngsten grossen Weltmacht Japan.
Auf Einzelpunkte kann selbstverständlich hier nicht eingegangen werden. Dass die Staatsprobleme
der einzelnen Staaten vielfach einen Gegensatz gegen andere Staaten ın sich schliessen, der sich
nicht unbedingt in den Formeln des ‚Rechts‘ erledigen lässt, wird kein vorsichtiger Beurteiler
zu leugnen imstande sein und die Geschichte unserer Zeit predigt diese Wahrheit in fast grauen-
hafter Weise. Dazu kommen die ungeheuren Probleme, die durch den Gegensatz von Christentum
und Islam, durch China — eine Welt für sich —, durch die Kolonisation und Zivilisation von Afrika
gestellt sind.
Solange diese ungelösten inneren Staatsaufgaben und die Welt von Gegensätzen der Staaten
in grossen Menschheitsaufgaben vorhanden sınd, kann der Gedanke einer ‚Organisation der Welt‘
keine Aussicht auf Erfolg haben. Erst wenn die ungeheure Bewegung der Völker und Staaten über
diese Fragen zur Ruhe gekommen sein und einer inneren Konsolidation der für das Leben der Mensch-
heit Mass und Richtung bietenden Staaten und Völker Raum gegeben haben wird, wırd mit Aus-
sicht auf Erfolg an eine Organisation der Welt gedacht werden können. Den Zeitpunkt hierfür
vermag kein menschliches Denken zu bestimmen. Bis dahin bleibt es in dem Bewusstsein aller
Völker der Welt bei dem Gesetze, das Felix Dahn ın die schönen Worte gekleidet hat: „Das
höchste Gut des Mannesıstsein Volk—das höchste Gut des Volkes
ist seın Staat.“