Full text: Handbuch der Politik.Dritter Band. (3)

  
Pritz Stier-Somlo, Die deutsche Arbeiterversicherung. 
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Was die erwähnten subjektiven Merkmale der Versicherungspflicht betrifft, so werden 
(Ziff. 1 des $ 165 R.V.O.) für versicherungspflichtig erklärt Arbeiter, Gehilien, Gesellen, Lehrlinge, 
Dienstboten. Inder 2. Ziffer werden als versicherungspflichtig bezeichnet Betriebsbeamte, Werk- 
meister und andere Angestellte in ähnlich gehobener Stellung, wenn sıe im Hauptberufe beschäftigt 
werden. Es kann im einzelnen sehr zweifelhaft sein, was unter einer „ähnlich gehobenen Stellung im 
Hauptberufe‘“ zu verstehen ist. Dem freien Ermessen beı der Rechtsanwendung ist ein um so 
srösserer Spielraum gelassen, als bei der Verschiebung der Beruistätigkeiten und der Differenzierung 
der Beschäftigungsarten das Wesen einer gehobenen Tätigkeit für den entscheidenden Richter oder 
Verwaltungsbeamten selbst äusserst zweifelhaft sem kann. In einer 3. Ziffer werden Handlungs- 
cehülfen und Lehrlinge, aber auch die bisher (in Ziffer3 $1 K.V.G.) ausgenommenen Gehilfen und 
Lehrlinge nApotheken für krankenversicherungspflichtig erklärt. Einer häufig erhobenen 
Forderung entspricht die 4. Gruppe, die auch Personen, die als Bühnen- und Ürchester- 
mitglieder beschäftigt werden, in die Versicherungspflicht einbezieht, und zwar ohne Rücksicht 
auf den Kunstwert ihrer Leistungen. Das subjektive Merkmal des Bezuges von Entgelt gılt für alle 
bezeichneten Gruppen mit Ausnahme der Hausgewerbetreibenden und der „Lehrlinge aller Art“. 
Während für die Arbeiter, Gehilfen, Gesellen, Lehrlinge, Dienstboten keine Einkommensgrenzen ge- 
zogen sind, besteht eine solche (mit Ausnahme der Hausgewerbetreibenden) für alle übrıgen 
Personen nur dann, wenn ihr regelmässiger Jahresarbeitsverdienst 2500 Mk. nicht übersteigt. Ist 
gegen die Forderung der entgeltlichen Beschäftigung nichts einzuwenden, so auch wenig gegen die 
Festlegung dieser Verdienstgrenze. War 2000 Mark vor mehr als einem Vierteljahrhundert ange- 
messen, so ist dies ganz gewiss jetzt nıcht mehr der Fall. Nicht nur spricht für die Erhöhung der ge- 
sunkene Wert des Geldes, sondern auch das Steigen des durchschnittlichen Lohnes und das Wachsen 
derjenigen Gruppe von Arbeitnehmern, dıe über 2000 Mk. verdienen. 
2. Die Leistungen der Krankenversicherung bleiben ım wesentlichen dieselben, wıe die 
des K.V.G.: Krankenhilfe bis zu 26 Wochen nach Beginn der Krankheit oder des Kranken- 
geldbezuges; sie besteht aus ärztlicher Behandlung, Arznei und kleinen Heilmitteln, sowie aus einem 
Krankengelde (1 des täglichen Grundlohnes) ev. Krankenhauspflege anstelle der bezeichneten 
Leistungen. In solchem Falle empfangen dıe vom Kranken sonst unterhaltenen Angehörigen die 
Hälfte des Krankengeldes (jetzt Hausgeld genannt). Neu ıst de Hauspfilege durch Kranken- 
wärter, Schwestern usw. Der alte Wunsch, dass dıe Karenzzeit bei Zahlung des Krankengeldes weg- 
fallen soll, ist nicht erfüllt worden. Dabei hat die Praxis der Kassen, die in der Satzung den 
Wegfall der Karenzzeit ausgesprochen haben, gezeigt, dass es sıch bei Einführung dieser 
Begünstigung nicht um eine Mehrbelastung der Kasse handelt. Das rechtzeitige Eingreifen der 
Krankenunterstützung dient zur schnelleren Heilung. Neu ıst dıe Festsetzung des Begriffes der 
ärztlichen Behandlung ın den $$ 122, 123. Sıe umfasst ın Zukunft Hilfeleistungen anderer 
Personen, wie Bader, Hebammen, Heildiener, Heilgehilfen, Krankenwärter, Masseure und dergl. 
sowie Zahntechniker nur dann, wenn die Hilfeleistung vom Arzte (Zahnarzte) angeordnet Iıst, 
oder wenn sie in dringenden Fällen gewährt wird, in denen dıe Zuziehung eines approbierten 
Arztes (Zahnarztes) nicht angängig ıst. Immerhin soll, besonders hinsichtlich der Zahnärzte, 
dıe Vorschrift nicht allzu streng genommen werden. Denn nach $ 123 kann bei Zahnkrankheiten, 
mit Ausschluss von Mund- und Kieferkrankheiten, die Hilfeleistung auch in anderen, als den ge- 
nannten Fällen durch geeignete Zahntechniker gewährt werden. Die Landeszentralbehörde, die 
nach der Bestimmung des $ 123 Einzelvorschriften erlassen kann, wird hier nur dann zweckmässig 
wirken, wenn Übereinstimmung zwischen allen Landeszentralbehörden des Reiches herbei- 
geführt wird. 
Neben der Krankenunterstützung ist noch die Wöchnerinnenunterstützung, jetzt Wochen- 
hılfe genannt, auch für nicht verheiratete Frauen, vorgesehen. Der Betrag des Krankengeldes als 
Wöchnerinnenunterstützung ist auf die Dauer von im ganzen 8 (bisher 6) Wochen vor und nach der 
Niederkunft der Wöchnerin zu gewähren. Von diesen 8 Wochen müssen mindestens 6 auf die Zeit 
nach der Niederkunft fallen. Leider ist für Mitglieder der Landkrankenkassen bestimmt, dass evtl. 
schon 4 Wochen ausreichen $ 195 Abs. 2. Das Sterbegeld beträgt das Zwanzigfache des 
Grundlohns. 
  
  
  
  
  
  
 
	        
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