80 Georg von Schanz, Organisation des Arbeitsmarktes.
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besser liegen die Dinge, wo Innungsverbände bestehen, wie beiden Bäckern; auch bei den Malern,
Fleischern, Barbieren ist er relativ gut entwickelt. Die Handhabung ist bei kleinen Arbeitsnach-
weisen etwas primitiv, der sog. Sprechmeister findet sich oft erst in den Abendstunden in der Her-
berge ein; lieber, als dass die Gesellen den ganzen Tag warten, wandern sie oft weiter. Ist die Vermitt-
lung dem Herbergswirt übertragen, ist die Sache vollends bedenklich. Manche Innungen haben sog.
Verbandsbücher eingeführt, welche aber von sozialdemokratischer Seite sehr angefochten werden,
indem behauptetwird, Verbandsbücher würden nur meistertreuen Gehilfen gegeben und bezweckten
deren Bevorzugung.
Auch manche Veranstaltungen auf dem Gebiet des landwirtschaftlichen Arbeitsmarktes sind
hier anzuschliessen.!) Die bedauerliche Tatsache, dass unsere Landwirtschaft, namentlich die der
Grossgüter, nur mit Zuhilfenahme ausländischer Arbeiter betrieben werden kann, hat dazu geführt,
dass eine „deutsche Arbeiterzentrale‘“ mittels ausländischer Agenten und Grenzämter die von den
Arbeitgebern gewünschten Arbeiter in der Hauptsache in Russland (Polen) und Oesterreich-Ungarn
(Ruthenen) anwerben. Die ausländischen Arbeiter, die immer nur zeitlich beschränkt zugelassen
werden, müssen an einem Grenzamt eine Legitimationskarte lösen, auf der der Arbeitgeber, für
den sie angeworben sind, verzeichnetsteht. Bei Nichtantritt oder Kontraktbruch erfolgt Ausweisung.
Mit der Zentrale stehen die Landwıirtschaftskammern in Verbindung, die auch ihrerseits, namentlich
inländische Arbeiter zu gewinnen suchen. In Preussen hat der Etat 1913 eine Summe von 45 000 M.
vorgesehen, um die Inlandvermittlung durch die Landwirtschaftskammern zu fördern; auch die
Brträgnisse, die einzelne Landwirtschaftskammern aus der Vermittlung inländischer Arbeiter
ziehen, müssen nach Anordnung des preuss. Landwirtschaftsministers für die Förderung des gemein-
nützigen Inländernachweises verwandt werden.
Die Gegensätzlichkeit, die zwischen den Arbeitnehmer- und Arbeitgebernachweisen besteht,
suchte man zu beseitigen durch Schaffung von paritätischen Facharbeitsnach-
weisen, so genannt, weil eine Kommission aus gleichviel Arbeitgebern und Arbeitnehmern über
eine möglichst neutrale Verwaltung wacht. Beiden Brauern ın Berlin und den Buchoruckern haben
sie sich zuerst eingebürgert; im Zusammenhang mit den immer häufiger werdenden Arbeitstarif-
verträgen ist ihre Zahl rasch ım Wachsen, da sıe dazu dienen, die vereinbarten Arbeitsbedingungen
zu kontrollieren. Aber die zuweilen versuchte Bevorzugung der Vereinigungen, die den Tarif-
vertrag abgeschlossen haben, verbunden mit Ausschliessung oder Zurückstellung anderer Arbeiter
hat naturgemäss auch ıhnen den Vorwurf der Parteilichkeit nicht erspart. Auch der bei ihnen vor-
kommende starre Nummernzwang und der Vermittlungszwang wird für anstössig gefunden?)
was weniger für den Meldezwang gelten würde.
Mit den genannten Einrichtungen konnte die Organisation des Arbeitsmarkts nicht ıhr
Ende finden. Zu ihnen ist noch der allgemeine öffentliche Arbeitsnachweis
hinzugetreten.?) Es ist eine markante Erscheinung, wie hier sich ungeheuer rasch eine neue gemein-
wirtschaftliche Aufgabe herausbildete. In Deutschland sind diese öffentlichen Arbeitsnachweise
von gemeinnützigen Vereinen mit kommunaler Unterstützung oder von den Kommunen selbst
errichtet worden. Der erste geht bis ıns Jahr 1864 zurück, in den Jahren 1890—93 entstanden
weitere, aber sie hatten noch nicht die rechte Methode gefunden; sie waren polizeilich im Nebenamt
verwaltet und sollten und wurden auch nur von notleidenden Arbeitern in Anspruch genommen.
Im Jahr 1893 regte der Vorsitzende des Stuttgarter Grewerbegerichts Regr. Lautenschläger eine neue
Gestaltung an; er verlangte, dass der Zusammenhang mit der Armenpflege gelöst, eine neutrale
unparteiische Leitung gewährleistet und deshalb Arbeiter und Arbeitgeber mit der Überwachung
betraut, die Kosten von den Kommunen getragen werden. Die Sache kam nun rasch in Fluss. Es
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!) Vgl.die neuere Entwicklung der landwirtschaftlichen Arbeitsnachweise in Deutschland im Reichsarbeits-
blatt 11 (1913) 8. 42, 120, ausserdem le placement des ouvriers agricoles im Bulletin trimestriel de l’ass. intern.
pour la lutte contre le chömage 2 (1912) Nr. 3 und K. Willecke, Die landwirtschaftliche Arbeitsvermittlung
in Deutschland, Berlin 1912.
2) P. Francke, Zur Geschichte des öffentlichen Arbeitsnachweises in Deutschland, Diss. Halle 1913,
®) Siehe dazu Arbeitsmarkt 16 (1913) S. 151 £., 300 £.