Full text: Handbuch der Politik.Dritter Band. (3)

  
8%) Georg von Schanz, Organisation des Arbeitsmarktes. 
  
  
Eine interessante Ausgestaltung hat der öffentliche Arbeitsnachweis in Luxemburg erfahren, 
insofern die Poststellen Filialen für die paritätisch eingerichtete Zentrale bilden. Nicht minder 
beachtenswert ıst das Vorgehen ın England, wo ein Gesetz v. 30. Juli 1909 die staatliche Einrichtung 
und Verwaltung von Arbeitsnachweisen vorsieht. Ende des Jahres 1912 waren nicht weniger als 
414 Arbeitsnachweise, welche 8 Verwaltungsbezirken angeschlossen sind, eingerichtet; 17 Beratungs- 
ausschüsse wurden gebildet, die unter der Leitung eines unparteiischen Vorsitzenden aus einer 
gleichen Zahl vom Handelsamt ernannter Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter bestehen.) Für 
die gegen Arbeitslosigkeit obligatorisch versicherten arbeitslosen Arbeiter ist die Benutzung des 
staatlichen Arbeitsnachweises obligatorısch. Diejenigen, welchen Arbeit an einem anderen Ort 
nachgewiesen wird, erhalten die Reisekosten auf Verlangen vorgeschossen. Vermittelt wurden 
1912 785 239 Stellen dauernder und 266 622 vorübergehender Natur. 
Von keiner zahlenmässig sehr ıns Gewicht fallenden Bedeutung, aber sehr heilsam sind die 
charitativenArbeitsnachweiıse. Es gibt Stellenlose, welche nur unvollkommen aus- 
gebildet oder schwach begabt, unfallverletzt, ınvalıde, rekonvaleszent sind; andere kommen aus 
Gefängnissen; solche Kategorien finden schwer Arbeit, und es bedarf besonderer individueller 
Bemühungen, um sie entsprechend unterzubringen. Wieder andere, wie Mädchen in ihnen fremden 
Orten, haben einen besonderen Schutz nötig. Es gıbt zahlreiche Vereine und Organisationen, die 
sich auf diesem Felde betätigen. Auch die Nachweise der Arbeiterkolonien und Wanderarbeits- 
stätten können zum Teil zur Gruppe der charitativen Nachweise gerechnet werden. 
Schwierige Probleme stellt der Arbeitsnachweis für Lehrlinge dar, weil sich mit ihm die 
Berufsfrage verknüpft und der Gegensatz von Handwerk und Industrie hereinspielt;*) der öffent- 
liche Arbeitsnachweis hat, besonders ın Süddeutschland, vielfach auch diesem Zweig seine Auf- 
merksamkeit gewidmet; aber auch Innungen und andere Organe beteiligen sich an dieser Vermitt- 
lung, eine gewisse Gegensätzlichkeit der Auffassungen zeigt sich auch hier. 
Von allen Formen der Arbeitsvermittlung weist die meisten vermittelten Stellen der gemein- 
nützige Arbeitsnachweis auf, ihm steht aber wenig nach der Arbeitsnachweis der Arbeitgeber.?) 
Im Ganzen wird die Entwicklung wohl ım Lauf der Zeit zu einer grösseren Zentralisation und zu 
einem allmählichen Sieg der Unparteilichkeit führen. Es muss einmal eine Zeit kommen, in der 
der Arbeitsnachweis aufhört, ein Kampfmittel zu sein, und lediglich ein Verkehrsmittel wird, das 
Arbeitgebern und Arbeitnehmern den Weg zum Arbeitsvertrag ebnet. Aufgabe des Öffentlichen 
Arbeitsnachweises ist es, dieses Prinzip festzuhalten und ıhm zum Sieg zu verhelfen. 
  
  
  
  
  
1) In Baden hat man mit Recht scaon länger die Naturalverpflegstationen zu Filialen des Arbeitsnach- 
weises gemacht u. in Württemberg hat man in dieser Richtung gute Erfolge erzielt; ein preussisches Ges. v. 29. Juri 
1907 sieht die Verbindung der Wanderarbeitsstätten mit der Arbeitsvermittlung u. einen staatlichen Kosten- 
zuschuss vor. 
2) Vgl. besonders Bulletin trimestriel 2 (1912) S. 1fg. Über die Mitwirkung der Schulbehörden bei den 
staatlichen Arbeitsnachweisen in England, siehe ebenda 3 (1913) 8. 761 fg. 
®, Nach der Erhebung über Arbeitsnachweise im Deutschen Reich nach dem Stande von Ende 1912 (Sonder- 
beilage zum Reichsarbeitsblatt Nr. 6, Juni 1913) wurden 2224 Arbeitsnachweise testgestellt. Von den 1985 
berichtenden kamen 321 auf Nachweise der Gemeinden usw. mit 1298977, 103 auf Arbeitgebernachweise 
mit 1 203613, 517 auf Innungsnachweise mit 162579, 71 auf Nachweise der Landwirtschaftskammern usw. 
mit 98 369, 521 auf Arbeiternachweise mit 353 309, 79 auf Angestelltennachweise mit 47 053, 116 auf Nach- 
weise von Arbeitgebern und Arbeitern mit 152 028, 184 aut Nachweise der Herbergen u. Wanderarbeitsstätten 
mit 112243, 73 auf sonstige Arbeitsnachweise mit 166 331 vermittelten Stellen; im ganzen haben die 1985 
Nachweise 3 594 502 Stellen vermittelt. Eine paritätische Mitwirkung von Arbeitgebern und Arbeitern wurde, 
abgesehen von den 119 Arbeitsnachweisen in Händen der Arbeitgeber und -nehmer, bejaht von 199 gemeind- 
lichen, 86 Innungs-, 22 Angestellten- und 5 sonstigen Arbeitsnachweisen. 
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