Full text: Handbuch für den exekutiven Polizei- und Kriminalbeamten. Erster Band. 1905. (1)

90 II. Strafprozeßordnung. — Zweites Buch. — 7. Abschnitt. 
Arten der Fragen. 
Hauptfragen. 
§ 293. Die Hauptfrage beginnt mit den Worten: „Ist der Angeklagte 
schuldig?"" Sie muß die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat nach ihren 
gesetzlichen Merkmalen und unter Hervorhebung der zu ihrer Unterscheidung 
erforderlichen Umstände bezeichnen. 
Hülfsfragen. 
§ 294. Hat die Verhandlung Umstände ergeben, nach welchen eine 
von dem Beschlusse über die Eröffnung des Hauptverfahrens abweichende Be- 
urteilung der dem Angeklagten zur Last gelegten Tat in Betracht kommt, so 
ist eine hierauf gerichtete Frage zu stellen (Hülfsfrage). 
Diese ist der dem Beschluß entsprechenden Frage voranzustellen, wenn 
die abweichende Beurteilung eine erhöhte Strafbarkeit begründet. 
Nebenfragen. 
§ 295. Ueber solche vom Strafgesetze besonders vorgesehene Umstände, 
welche die Strafbarkeit vermindern oder erhöhen, sind geeignetenfalls den 
Geschworenen besondere Fragen vorzulegen (Nebenfragen). 
Eine Nebenfrage kann auch auf solche vom Strafgesetze besonders vor- 
gesehene Umstände gerichtet werden, durch welche die Strafbarkeit wieder auf- 
gehoben wird. 
8§ 296. Wird die Vorlegung von Hülfs= oder Nebenfragen beantragt, 
so kann sie nur aus Rechtsgründen abgelehnt werden. 
§ 297. Wenn das Gesetz beim Vorhandensein mildernder Umstände 
eine geringere Strafe androht, so ist eine darauf gerichtete Nebenfrage zu 
stellen, wenn es von der Staatsanwaltschaft oder dem Angeklagten beantragt 
oder von Amtswegen für angemessen erachtet wird. 
Zur Verneinung der Frage nach dem Vorhandensein mildernder Um- 
stände bedarf es einer Mehrheit von mindestens sieben Stimmen. 
§ 298. Hatte ein Angeklagter zur Zeit der Tat noch nicht das acht- 
zehnte Lebensjahr vollendet, so muß die Nebenfrage gestellt werden, ob er bei 
Begehung der Tat die zur Erlenntnis ihrer Strafbarkeit erforderliche Einsicht 
besessen habe. 
Dasselbe gilt, wenn ein Angeklagter taubstumm ist. 
Plaidoyer. 
§ 299. An die Fragestellung schließen sich die Ausführungen und An- 
träge der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten zur Schuldfrage.
	        
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