Einleitung.
I. Staat und Recht.
8 1.
Staat ist die selbständige dauernde Gemeinschaft einer Anzahl von
Menschen (Bevölkerung) auf einem bestimmten Gebiet, die unter einer
höchsten Gewalt (Staatsgewalt) nach fester Ordnung (Recht) gebildet ist.
Zweck des Staates ist der Schutz nach außen und innen und die Pflege
der geistigen und wirtschaftlichen Bestrebungen. Bevölkerung und Gebiet
(Land und Leute) bilden persönlich und sachlich die Grundlagen, auf denen
der Staat sich aufbaut. Beide müssen vereint sein; ein Nomadenvolk ohne
festen Wohnsitz bildet so wenig einen Staat wie ein unbewohntes Land.“)
Die Staatsgewalt in ihrer Ausschließlichkeit und Unabhängigkeit
nach außen und innen heißt Souveränität (suprema potestas). Ihre Ge-
staltung wird durch die Verfassung bestimmt. 2) Sie äußert sich als Gesetz-
gebung oder Vollziehung, je nachdem sie allgemeine Rechtsregeln festsetzt
oder nach solchen die einzelnen Fälle ordnet. Die Vollziehung teilt sich
weiter in Rechtsprechung (Justiz) und Verwaltung. Die Staatsgewalt er-
scheint hiernach als Rechtschaffung, Rechtsprechung und Rechtschutz.s) Die
Rechtsprechung ist im Rechtsstaate an bestimmte Formen und Voraus-
setzungen gebunden und deshalb von der Verwaltung streng geschieden (8 179).
Die Verwaltung 4) umfaßt die Einrichtung der Behörden und Anstalten
1) Einheitsstaat u. Bundesstaat § 7
Anm. 1 d. W.
530 Reichsverfassung §6 Abs.4, preußische
2 d. W. Im engeren Sinne wird das
Dirn. u. m (Verfassungsurkunde,
charte) als Verfassung bezeichnet.
3) Die Lehre von den drei Gewalten
(Gesetzgebung, Rechtsprechung und Ver-
waltung), die im freien Staate selbständig
und von besonderen Organen gehandhabt
werden sollten, wurde von Montesquien
(esprit des lois IX 6) unter Mißverständ-
nis englischer Einrichtungen ausgebildet.
Sie verkennt die Einheit der Staatsgewalt
und die Überordnung der Gesetzgebung
über die Rechtsprechung u. Verwaltung.
Auch steht ihr das mehrfache Übergreifen
der einen Gewalt in das Gebiet der anderen
(Abs. 5 u. §179 Abs. 1 d. W.) entgegen.
Von der neueren Wissenschaft ist die Lehre
deshalb verlassen.
4) Verwaltung bedeutet i. w. S. die
gesamte Tätigkeit des Staates in Gegen-
satz zu dessen Verfassung, i. e. S. die voll-
ziehende Tätigkeit gegenüber der gesetz-
gebenden u. rechtsprechenden. Sie teilt
sich in die den Staat betreffende, die Ge-
biete des Auswärtigen, der Wehrmacht
und der Finanzen umfassende und in die
innere Verwaltung. Von dieser sind als
besondere Zweige die kirchlichen u. Unter-
richtsangelegenheiten und die Wirtschafts-
gebiete (Bergbau, Landwirtschaft, Gewerbe,
Handel u. Verkehr) ausgeschicden; die
übrige Verwaltung wird als allgemeine
Landesverwaltung u. auch wohl als innere
Verwaltung i. e. S. bezeichnet. Verb. 8 44
Anm. 4 u. 54 Abs. 2 d. W.
Hue de Grais, Handbuch d. Verf. u. Verw. 22. Aufl. 1