2 Einleitung; Staat und Recht. 81.
(Organisationsgewalt 8 43 Abs. 1), die Aufsichtführung und die Anwendung
von Zwang (Zwangsgewalt).à)
Die Staatsform heißt, je nachdem eine einzelne Person oder eine
Mehrheit von Personen die oberste Staatsgewalt ausübt, Monarchie oder
Republik. Republiken sind im Deutschen Reiche die Freien Städte Hamburg,
Lübeck und Bremen. Die Monarchien sind Erb= oder Wahlmonarchien.
Erstere bilden die Regel; in ihnen vererbt die Herrscherwürde sich nach
dem Recht der Erstgeburt (Primogenitur); Wahlmonarchien waren das
ältere Deutsche Reich und das Königreich Polen. Die Monarchie ist absolut,
wenn der Herrscher in der Staatsgewalt nicht beschränkt ist, konstitutionell,
wenn er bei gewissen wichtigen Handlungen, insbesondere bei dem Erlaß
von Gesetzen, an die Zustimmung von Vertretern der Bevölkerung (Landtag,
Parlament) gebunden ist. — Die konstitutionelle Verfassung hat
im Laufe des 19. Jahrhunderts in fast alle Staaten Eingang gefunden.
Dabei ist in alle größeren Staaten nach englischem Vorbild die Zweiteilung
der Vertretung (Zweikammersystem) eingeführt. Die erste Kammer,
deren Mitgliedschaft nicht durch allgemeine Wahl, sondern durch Ernennung
oder begrenzte Wahl auf Grund größeren Vermögens oder einer höheren
Bildungsstufe erworben wird, soll gegenüber den wechselnden Mcehrheiten
der zweiten Kammer die Gewähr für eine gewisse Stetigkeit bicten. ) Der
zweiten Kammer sind dagegen bei Beschlüssen in Finanzangelegenheiten in
der Regel weitergehende Befugnisse eingeräumt (§ 37 Abs. 2). In einer
anderen Beziehung sind dic deutschen Staaten dem englischen Vorbild nicht
gefolgt. In ihnen gilt die sog. konstitutionelle Regierung, in der der Land-
tag nur bei bestimmten Handlungen der Staatsgewalt mitzuwirken hat. In
England — und ähnlich in Belgien, Italien und Griechenland — besteht
dagegen die parlamentarische Regierung, in der das Staatsoberhaupt nur
die Beschlüsse des Parlaments auszuführen hat und seine leitenden Beamten
demgemäß nur aus den Führern der jeweilig herrschenden Parlaments-
mehrheit wählen darf.7) — Das Verfahren der Landtage ist, soweit
es die Offentlichkeit, die Beschlußnahme durch absolute Mehrheit und die
Beschlußfähigkeit betrifft, durch Gesetz geordnet; sonst regelt jeder Landtag
das Verfahren und den Geschäftsgang selbständig durch Geschäftsordnungen.
Diese bestimmen über die Wahl der Präsidenten und Schriftführer, die Bil-
dung der Abteilungen und Kommissionen, die Festsetzung der Tagesordnung,
den Gang der Beratungen, die Redeordnung, die Formen der Abstimmung
5) Zwangsbefugnisse der Verwaltungs= Reiche (§ 17 Abs. 2) und den kleineren
behörden § 232 Abs. 2, der Gerichte 8 202
u. 220 Abs. 1 d. W., Steuerbeitreibung
859 Abs. 7.
4) Das Zweikammersystem besteht in
Preußen (§ 40 Abs. 1), Bayern, Sachsen,
Württemberg, Baden, Hessen u. Elsaß-=
Lothringen (§8 26 Abs. 2), nicht aber im
Staaten, in denen die politischen Kräfte
für eine besondere erste Kammer fehlen
und die Elemente für beide Kammern
deshalb mehrfach in einer vereinigt werden.
!) In Frankreich kennzeichnete Thiers
das Verhältnis mit den Worten: Le roi
regne. mais il ne gouverne pas.