Einleitung; Staat und Recht. 81. 3
und die Aufrechterhaltung der Ordnung in den Sitzungen. Kommissionen
werden im voraus für bestimmte Gebiete (Geschäftsordnung, Petitionen,
Staatshaushalt) oder besonders für die einzelnen Vorlagen gebildet. Über
Gesetzesvorlagen — im Reichstage auch über Bundesratsverordnungen —
finden regelmäßig drei getrennte Beratungen (Lesungen) statt. Die erste
beschränkt sich auf die allgemeine Besprechung und bestimmt, ob den folgen—
den eine Kommissionsberatung vorausgehen soll, die zweite dient der Einzel—
beratung und die dritte bildet eine abgekürzte Wiederholung der ersten und
zweiten. Die Ablehnung eines Antrags ohne Vorberatung heißt „zur Tages—
ordnung übergehen“. Resolutionen sind förmliche unverbindliche Erklärun—
gen, die anläßlich der Entscheidung eines Beratungsgegenstandes über Dinge
beschlossen werden, die mit ihm sachlich zusammenhängen. Selbständige An—
fragen an die Regierung heißen Interpellationen, und wenn nur schrift—
liche Beantwortung ohne mündliche Beratung beabsichtigt wird, kleine An—
fragen. Petitionen an den Landtag werden nach der ihnen beigelegten Be—
deutung der Regierung zur Kenntnisnahme, zur Erwägung oder zur Berück-
sichtigung überwiesen. Die Abstimmung kann durch Aufstehen, Auszählung
oder Namensaufruf erfolgen.s) Als Obstruktion werden Maßnahmen be-
zeichnet, die die Verschleppung oder Verhinderung der Beratung oder Be-
schlußfassung bezwecken.
Das Recht zerfällt in öffentliches und in bürgerliches oder
Privatrecht.3) Das öffentliche Recht betrifft die Beziehungen der Per-
sonen zum Staat, das bürgerliche die der Personen zueinander (§ 196).
Das öffentliche Recht schließt die Privatwillkür aus. Es erstreckt sich auch
über das Strafrecht (8 214), das jedoch der Rechtsprechung unterliegt und
ebenso wie das Privatrecht von Richtern gehandhabt wird (§ 179 Abfs. 1).
Das öffentliche Recht umfaßt ferner im Völkerrecht das Recht der Staaten
zueinander (8 85), im Kirchenrecht die besonderen Rechtsverhältnisse der
Kirche (§ 286 Abs. 1) und im Staats= und Verwaltungsrecht die
des einzelnen Staates. Staats= und Verwaltungsrecht sind nicht scharf von-
einander geschieden. Im allgemeinen betrifft ersteres die Einrichtung, letz-
teres die Aufgaben des Staates (Abs. 1). Das Staatsrecht zeigt den Staat,
wie er ist, das Verwaltungsrecht, wie er arbeitet.1o) Die Verbindung des
s) Reich § 17 Anm. 21, Preußen § 40
Anm. 4.
5) Die Unterscheidung findet sich bereits
im römischen Recht. Während des Mittel-
alters verschwindet sie, indem der Herr-
schaftsbegriff mit Privatrechtsverhältnissen
verbunden wird. Die Regierungsgewalt
erscheint als Privateigentum am Lande u.
führt zu Erbteilungen, die erst allmählich
beseitigt werden (§39 Anm. 1). Die Heeres-
folge beruht auf dem gleichzeitig persön-
lichen u. dinglichen Lehnsverhältnis (§ 210
Anm. 10). Im Kammergut sind landes-
herrliches und staatliches Eigentum ver-
einigt (§ 125 Abs. 1) und die Steuern
(Beden) beruhen auf Vertrag zwischen
Landesherrn u. Ständen (8§ 138 Abf. 1).
Erst mit der Aufnahmee des römischen
Rechts in Deutschland u. mit der folgen-
den Entwickelung des Staatsgedankens ist
die strenge Trennung des öffentlichen und
privaten Rechts wieder eingetreten.
10) Bearbeitungen des Staats-
u. Verwaltungsrechts f. d. D. Reich
durch Laband 4 Bde. (5. Aufl. Tüb. 1. u.
2. Bd. 11) abgekürzt im Hdb. des öff.
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