Das Deutsche Reich; Geschichte. 8 5. 17
der souveränen deutschen Fürsten und freien Städte bildete und im Bundes-
tag seine Vertretung fand,5) trug diesem Streben volle Rechnung und schloß
damit von vornherein jede gesunde Weiterentwickelung der deutschen Ver-
hältnisse aus. Weder nach außen, noch in seiner inneren Entwickelung
vermochte Deutschland seinen Aufgaben zu genügen, und wo Erfolge erzielt
wurden, geschah es unabhängig von der Bundeseinrichtung durch besondere
Verträge, welche die durch gleiche Interessen verbundenen Staaten zu-
sammenführten. So hat vor allem der Zollverein erfolgreich gewirkt,
der die Mehrzahl der deutschen Staaten zu einem einheitlichen Zollgebiete
zusammenschloß.4) In diesem wurden die Zölle gemeinsam erhoben und
nach der Bevölkerung auf die beteiligten Staaten verteilt. Obgleich nur auf
kündbarem Vertrage beruhend und somit jeder festen und dauernden Grund
lage entbehrend, auch in seiner Weiterbildung von den übereinstimmen-
den Beschlüssen aller Vereinsmitglieder abhängig, hat der Zollverein doch
wesentlich dazu beigetragen, die Notwendigkeit des engeren nationalen Zu-
sammengehens klar zu legen. UÜberall gab Preußen den Kern für solche
Bildungen ab, und hierin lag bereits der bestimmte Hinweis auf die Rolle,
zu der dieser Staat bei der späteren Neugestaltung Deutschlands berufen
erschien.
Die unter dem Druck der Bewegung im Jahre 1848 unter-
nommenen Einigungsversuche haben keinen dauernden Erfolg gehabt. Mit
Zustimmung des Bundestags trat in Frankfurt a. M. (Paulskirche) eine
deutsche Nationalversammlung zusammen (18. Mai 1848). Sie wählte als
Träger der Zentralgewalt den österreichischen Erzherzog Johann zum Reichs-
verweser und stellte im März 1849 eine Reichsverfassung fest, nach der
die auswärtige Vertretung, die Heeres= und Scemacht und die Verkehrs-
anstalten auf das Reich übergehen sollten, dem außerdem weitgehende ge-
rung). Die Zahl der Landesherrschaften
des älteren deutschen Reichs sank, als in-
folge des Lüneviller Friedeus (1801) das
linke Rheinufer an Frankreich abgetreten
und die geschädigten Fürsten im Reichs-
deputationshauptschluß (1803) durch Ein-
ziehung der geistlichen Herrschaften und
der Mehrzahl der Reichsstädte schadlos
gehalten wurden, von 296 auf 82; die
Rheinbundsakte (1806) und die Beschlüsse
des Wiener Kongresses verminderten sie
weiter auf 38.
3) Bundesakte 8. Juni 15 (G. 18
S. 143) u. Wiener Schlußakte 15. Mai 20
(GS. 113).
4) Unter dem Schutz der Kontinental-
sperre hatte sich besonders im westlichen
Deutschland eine blühende Industrie ent-
wickelt, die nach Wegfall dieser Schranke
alsbald dem englischen Mitbewerbe erlag.
Preußen sah sich infolgedessen zur Ein-
führung von Grenzzöllen veranlaßt (8 138
Abs. 3) und nötigte damit die übrigen
deutschen Staaten, deren Industrie hier-
durch noch mehr als die englische ge-
schädigt wurde, sich ihm wirtschaftlich an-
zugliedern. Mit dem Abschluß von Zoll-
verträgen begannen Anhalt und das Groß-
herzogtum Hessen (1828), Kurhessen u.
Waldeck (1831). Hierauf folgte der bayrisch-
württembergische Zollverein, Sachsen u.
der unter den thüringischen Staaten ge-
bildete Zoll= u. Handelsverein (1833),
Baden u. Nassau (1835), Frankfurt (1836),
Lippe u. Braunschweig (1841), Luxem-
burg (1842) u. zuletzt der Hannover u.
Oldenburg umfassende Steuerverein (1851).
Dem Zollverein gehörten hiernach alle
deutschen Staaten außer Mecklenburg, Hol-
stein, den Hansestädten, Osterreich u. Lich-
tenstein an.
Hue de Grais, Handbuch d. Verf. u. Verw. 22. Aufl. 2