26
Das Deutsche Reich; Verfassung. 8 13.
2. Bayern und Württemberg verwalten unbeschadet einzelner, durch
die Reichsgesetzgebung festgestellter Grundsätze das Post= und Tele-
graphenwesen selbständig.20)
3. Beide Staaten genießen in betreff des Militärwesens einzelne Aus-
nahmerechte. #)
4. Auf Bayern ist die Gesetzgebung über Heimat= und Niederlassungs-
wesen nicht anwendbar, :22) die über das Eisenbahnwesen findet nur
beschränkte Anwendung.-3)
Sachlichen Beschränkungen unterliegt die Zuständigkeit des Reichs
an sich nicht. Es kann sein Tätigkeitsgebiet erweitern (§ 7 Abs. 1)
und sich auf diesem völlig frei bewegen, insbesondere neben der Gesetz-
gebung auch die Vollziehung in Verwaltung und Rechtspflege über-
nehmen. Tatsächlich hat indes das Reich von dieser Befugnis nur
beschränkten Gebrauch gemacht und sich der einzelnen Gegenständc in
sehr verschiedenem Umfange bemächtigt:
1. Vollständig oder doch nahezu vollständig sind nur wenige Ver-
waltungszweige vom Reich in Anspruch genommen (auswärtige,
Marine-, Post= und Telegraphenangelegenheiten und die Reichs-
bank).
2. Auf anderen Gebieten hat das Reich sich auf die Gesetzgebung be-
schränkt und die Verwaltung und Rechtsprechung den Landesbehörden
entweder ganz überlassen oder nur einzelne Zentralbehörden im
Interesse einheitlicher Handhabung der gegebenen Grundsätze ge-
schaffen (Reichsgericht, Bundesamt für Heimatwesen, Aufsichtsamt
für Privatversicherung, Reichspatentamt, Reichsversicherungs-
amt, Reichseisenbahnamt).
3. Auch die Gesetzgebung hat endlich das Reich nicht überall vollständig
übernommen, sich vielmehr verschiedentlich auf die Aufstellung der
Hauptgrundsätze beschränkt und deren weitere Ausführung der
Landesgesetzgebung überlassen. Die Reichsgesetze erlangen in diesen
Fällen erst durch die Ausführungsgesetze der Einzelstaaten praktische
Anwendbarkeit.
Die Zuständigkeiten des Reichs gewähren hiernach ein ziemlich buntes
Bild und folgen keinem festen System. Der Grund liegt in der Art ihrer
Entstehung. Den Einzelstaaten sollten alle der gemeinsamen Regelung be-
dürftigen Gegenstände, aber nur diese entzogen werden. Nicht theoretische,
sondern rein praktische Erwägungen haben das Reich ins Leben gerufen
und weitergebildet, und dieser Systemlosigkeit verdanken die Reichseinrich-
tungen zum großen Teil ihre schnelle Entwickelung.
20) Verf. Art. 4 10 u. 52. 22) Verf. Art. 41. Einführung des G.
21) Das. Schlußbest. z. Abschn. XX — üb. den Unterstützungswohnsitz (8 283
7 90 Abs. 3 u. 4 d. W. Anm. 2 d. W.).
23) Verf. Art. 45 u. 46 Abs. 2.