Markgraf Konrad von Meißen, in der Geschichte „der Große“ genannt,
einst dem König Lothar auf dessen Römerzuge wesentliche Dienste geleistet
hatte, so war er dessen Nachfolger Konrad auf dem Kriegszuge nach Polen
gefolgt, nachdem er inzwischen, eine Pause der Ruhe im Getriebe der Völker
benutzend, Jerusalem als Pilger besucht hatte. Konrads von Wettin Macht—
stellung war im Verlaufe seiner Regierung immer noch mehr gestiegen.
Ein äußerlich sichtbares Zeichen hierfür gibt unter anderem sein großes
Insiegel, ein sogenanntes Reitersiegel, auf welchem aber irgend ein Wappen—
bild nicht zu erkennen ist. Dieses Siegel zeigt die Umschrift Cuonradus
Dei Gratia Marchio Misnensis, also „von Gottes Gnaden“ — ein
Zusatz und ein Vorrecht, welches nur den höchsten Fürsten des Reiches
zustand. Der letzteren Stellungen entfernten sich überhaupt mit der Zeit
zusehends von der ursprünglichen Eigenschaft als Beamte des Königs, wie
denn es nicht geleugnet werden kann, daß etwa mit dem Tode des deutschen
Königs Heinrich V. gewissermaßen der Beginn endgültiger Entwickelung der
Fürstengewalt und Loslösung derselben vom Königtum eingetreten ist.
Diesem letzteren erstand gerade zu jener Zeit, d. h. seit 1077, bedauerlicher-
weise im Papsttum ein unversöhnlicher, in seinen Mitteln leider nicht
wählerischer Gegner, ein Moment, welches seine Widerstandskraft nicht gerade
zu stärken geeignet war. Und es kann den Ruhm wie die tiefinnerliche
Größe der Hohenstaufen nur vergrößern, wenn alle ihre Herrschereigenschaften
zur hohen Entwickelung kamen, trotzdem von allen Seiten der Entfaltung
kraftvoller Königsgewalt Schwierigkeiten entgegentraten. Die hohen Reichs-
beamten, Markgrafen und Herzöge strebten immer deutlicher nach Selb-
ständigkeit; Würden und Besitz derselben gewannen immer mehr an Festigkeit
und wurden mehr oder weniger ausgesprochen erblich. Auch das Landgebiet,
welches dem Markgrafen zu Meißen unterstellt war, hatte an Ausdehnung
derartig zugenommen, daß es für diesen Reichsfürsten unmöglich ward, auf
allen Punkten, an denen sich sein Eingreifen notwendig machte, persönlich
zu erscheinen. Es wurden daher hier wie auch gleichzeitig in den anderen
deutschen Ländern an besonders wichtigen und daher stark befestigten Plätzen
Burggrafen eingesetzt. Obwohl von den Königen ernannt, waren diese neuen
Burggrafen doch den Markgrafen, denen sie gleichzeitig zur Unterstützung
bei der inneren Verwaltung dienen sollten, Gehorsam schuldig. Auch war
den Burggrafen mitunter noch ein ganz besonderer Pflichtenkreis angewiesen.
So hatte z. B. der zu Dohna die Aufgabe, die gleichnamige Burg, auf der
er saß, als den Schlüsselpunkt zu dem verkehrsreichen Müglitztal, jenem
schon damals hochbedeutsamen Verbindungswege zwischen Meißen und Böhmen,
zur Verteidigung bereit zu halten und für Ordnung in dem dortigen Ge-
lände zu sorgen. Auch in der Stadt Meißen selbst, der eigenen Residenz“)
des vielbeschäftigten Markgrafen, wurde ein Burggraf eingesetzt.
69) Eigentümlich mutet die Wehrverfassung der Burg Meißen zur ältesten Zeit, also
vor Einsetzung des Burggrafenamtes an, wie sie bei Posse S. 293 geschildert wird. „Noch
zu Bischof Thietmars Zeit, also ungefähr neunzig Jahre nach der ersten Anlegung, zogen
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