§ 11. Fürstenstaaten (Monarchien). 81
Fall kamen der Reihe nach die drei Nebenlinien Lippe-Biester-
feld, Lippe-Weißenfels und Lippe-Alverdissen (Schaumburg-Lippe)
in Frage. Da der rechtmäßige Thronfolger sogleich nach dem
Tode des Fürsten Woldemar als Regent für den geisteskranken
Karl Alexander eintreten mußte und der Ausbruch des Thron-
folgestreites daher schon in diesem Zeitpunkte zu erwarken war,
legte Fürst Woldemar dem Lippeschen Landtag 1890 einen Gesetz-
entwurf vor, wonach er den Regenten zu ernennen befugt sein
sollte. Der Landtag verlangte jedoch eine Beteiligung an der
Regentschaftsführung, das Gesetz kam deshalb nicht zustande. Nun-
mehr ernannte Fürst Woldemar durch eine erst am Tage seines
Todes veröffentlichte Verordnung den Prinzen Adolf zu
Schaumburg-Lippe (Schwager Kaiser Wilhelms II., Ge-
mahl der Prinzessin Viktoria von Preußen) zum Regenten, und
dieser übernahm am Todestage Woldemars in Detmold die Re-
gentschaft. Die Rechtsgültigkeit dieser Verordnung wurde vom
Lippeschen Landtage bestritten, jedoch wurde durch Gesetz vom
24. April 1895 Prinz Adolf bis zur Entscheidung der Thronfolge-
frage als Regent belassen. Diese Entscheidung sollte unter Mit-
wirkung des Bundesrats (RV. Art. 76 II) erfolgen; da dieser
aber ein Eingreifen ablehnte, einigten sich die streitenden Linien
auf ein Schiedsgericht. Das Schiedsgericht, bestehend aus
dem König Albert von Sachsen, dem Reichsgerichtspräsidenten
Ohlschläger, 2 Senatspräsidenten und 3 Räten des Reichsgerichts,
gab am 22. Juni 1897 seinen Schiedsspruch dahin ab,
daß Graf Ernst, das Haupt der Linie Lippe-Biesterfeld,
zur Thronfolge berufen sei. Der hierdurch zurückgewiesene An-
spruch der Linie Schaumburg-Lippe, unter Übergehung der näher
berechtigten beiden Linien Biesterfeld und Weißenfels zur Thron-
folge berufen zu sein, stützte sich auf die Behauptung, daß die
beiden älteren Linien durch Mesalliancen ihre Thronfolgefähig-
keit verloren hätten. Hinsichtlich der Linie Lippe-Biesterfeld wurde
ausgeführt, daß die 1813 von dem Grafen Wilhelm Ernst mit
Modeste von Unruh geschlossene Ehe unebenbürtig gewesen
sei, weil diese Stammutter aller lebenbden Angehörigen der
Linie Lippe-Biesterfeld, insbesondere des Thronprätenden-
ten Grafen Ernst, nur aus niederem Adel gewesen sei.
Das Schiedsgericht stellte dagegen fest, daß Modeste von Unruh
zwar nur aus altadeliger, nicht aus hochadeliger Familie stamme,
daß diese Abstammung jedoch nach gemeinem Privatfürstenrechte
zu ihrer Ebenbürtigkeit genüge, daß auch die damaligen Lippe-
schen Hausgesetze keine strengeren Vorschriften kannten, und daß
hiernach Graf Ernst zur Thronfolge berufen sei.
Graf Ernst übernahm hierauf die Regentschaft. Damit war
der Thronfolgestreit jedoch nicht zu Ende. Denn da der Schieds-
spruch nur die Berufung des Grafen Ernst, nicht der ganzen
Linie Lippe-Biesterfeld aussprach, so wurde von den übrigen
Thronprätendenten weiterhin die Thronfolgefähigkeit der Söhne
und Brüder des Grafen Ernst und ihrer Nachkommen bestritten,
die der ersteren auch deshalb, weil ihre Mutter, die Gemahlin
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