84 § 11. Fürstenstaaten (Monarchien).
3) Innerhalb ihrer „Prärogative“ stehen die Stände
dem Herrscher gegenüber als selbständige, ihm nicht unter-,
sondern nebengeordnete Körperschaften, die nicht als Or-
gane des Staates staatliche Funktionen wahrnehmen, son-
dern ihren eigenen Interessen dienen und zu diesem
Zwecke die Ausübung der Staatsgewalt durch den Herr-
scher allein verhindern.
Die Entwicklung des Ständewesens,
insbesondere in Deutschland, gehört in die Rechtsgeschichte. Zum
Verständnis der ständischen Monarchie, und insbesondere der selbst-
ständigen Rechte der Stände gegenüber dem Herrscher, ist jedoch
eine Übersicht des Entwicklungsganges unentbehrlich.
Nach der Auflösung des karolingischen Weltreichs gelang
es den größeren weltlichen und geistlichen Grundbesitzern, die
Grafenge walt, d. h. die Befugnis zur Ausübung der Staats-
hoheitsrechte, ständig mit ihrem Besitz zu einer Einheit zu ver-
binden. Sie wurden damit — unter der Oberherrlichkeit des
Königs — Landesherren innerhalb ihres Territoriums.
Einzelnen Städten gelang es, sich der Herrschaft dieser
Territorialherren zu entziehen und als freie Reichsstädte,
unter unmittelbarer Oberherrschaft des Königs, die Landeshoheit
im Stadtbezirke zu erlangen.
Eine ähnliche Zersplitterung der Staatsgewalt vollzieht
sich dann seit dem Ende des 13. Jahrhunderts auch in den Terri-
torien selbst. Hier bringen die weltlichen (Rittergutsbesitzer)
und geistlichen Grundherren (Klöster und sonstige Kor-
porationen) die kleineren Grundbesitzer (Bauern) ihres Bezirks
zunächst in eine wirtschaftliche Abhängigkeit, indem sie von den
Landesherren die anfänglich diesen zustehenden Abgaben (Zehnten)
und Dienstleistungen (Hand= und Spanndienste) erlangen. Später
erreichen sie auch die Übertragung der wichtigsten Staatshoheits-
rechte, der örtlichen Polizei und der (Patrimonial-) Gerichtsbar-
keit über ihre Hintersassen. Diese Rechte erlangen auch die
(mittelbar gebliebenen) Städte über ihre Bewohner.
Wie hiernach im Reiche dem König drei durch gemein-
same Privilegien und Interessen verbundene Stände gegen-
überstehen (weltliche Fürsten, geistliche Fürsten, freie Reichsstädte),
so findet sich auch der Landesherr bei Ausübung der Staatsge-
walt durch drei mit selbständigen Gewalten öffentlicher Art
ausgestattete Gemeinschaften behindert. Wie der König seinen
Willen in den Territorien nicht anders als durch Inanspruch-
nahme des Landesherrn durchsetzen kann, da ihm das unmittel-
bare Imperium gegenüber den Reichsmittelbaren verloren ge-
gangen war, so muß der Landesherr zur Durchsetzung seiner An-
ordnungen wieder die der unmittelbaren Zwangsgewalt teil-
haftigen Rittergutsbesitzer, geistlichen Herren oder Städte angehen.
Je selbständiger im Reich wie in den Territorien die Landes-
herren bzw. die Ortsobrigkeiten wurden, desto unsicherer wurde