Full text: Das öffentliche Recht des Deutschen Reichs. I. Teil. Lehrbuch des Staats- und Verwaltungsrechts. (1)

8 11. Fürstenstaaten (Monarchien). 85 
es, ob die Anordnungen des Königs bzw. der Landesherren bei 
den Untergebenen williges Gehör finden würden. Daher ver- 
sammelte der König im Reichstag, der Landesherr im Land- 
tag die Stände und sicherte sich hier deren Bereitwilligkeit zur 
Durchführung der geplanten Maßnahmen, insbesondere bei finan- 
ziellen Belastungen. Diese Bereitwilligkeit konnte aber mit 
Rücksicht auf die Erstarkung der Mittelgewalten nicht erzwungen, 
sondern mußte im Wege gütlicher Verständigung erreicht werden. 
Die Stäntde waren schließlich zu selbständigen Körperschaften 
(Kurien) geworden, die sich nicht von dem allgemeinen Staats- 
interesse leiten ließen, sondern allein ihre eigenen Interessen 
wahrnahmen und sich zu rechtlich geordneten Berufsständen (Adel, 
Geistlichkeit, Städtebürger) mit feft abgegrenzten Tätigkeitsbe- 
reichen abschlossen. Die nicht von diesen drei Ständen umfaßten 
Landbewohner, vor allem die persönlich und dinglich abhängigen 
Hintersassen der Gutsbesitzer und geistlichen Herrschaften auf dem 
Lande und die nicht zu den Zünften gehörenden Städtebewohner, 
waren von jedem Einfluß auf die Staatsgeschäfte ausgeschlossen. 
In der Folgezeit, seit dem 15. Jahrhundert, wurde den 
Landesherren, die sich nach oben von der königlichen Oberhoheit 
mehr und mehr emanzipiert hatten, ihre Abhängigkeit von den 
ihnen von Rechts wegen untergebenen Ständen unbequem. Diese 
Abhängigkeit beruhte zum großen Teil darauf, daß die Landes- 
herren für den Heerdienst auf die Unterstützung der Stände an- 
gewiesen waren. Die Schaffung stehender Heere durch die Landes- 
herren beförderte einerseits die Emanzipation von den Ständen, 
Lab anderseits aber den Landesherren auch die tatsächliche Macht, 
ie Prärogative der Stände mehr und mehr zu beschränken. In 
diesem Kampfe waren die Landesherren die natürlichen Ver- 
bündeten derjenigen Bevölkerungsklassen, die an den ständischen 
Vorrechten keinen Anteil hatten, weil sie keinem Stande ange- 
hörten, vor allem der unfreien Bauern. . 
Schon 1716 soll Friedrich Wilhelm I. den der Einführung 
einer neuen Abgabe (des Hufenschosses für Kriegszwecke) wider- 
strebenden ostpreußischen Ständen auf eine Eingabe sein berühm- 
tes Wort entgegengeschleudert haben: „Tout sera ruiné Nihil 
credo, aber das credo, daß die Junkers ihre Autorité „Nie poz 
walam“ (das Veto, das jedem Mitglied des polnischen Reichs- 
tags zustand), wird ruiniert werden. Ich aber stabiliere meine 
Souveränität wie einen rocher de bronce“. (Nach Droysen foll 
die Bemerkung Friedrich Wilhelms I., mit der er das Verlangen 
der preußischen Stände, die neue Steuer mit ihren Landtagen zu 
verein baren, beantwortete, gelautet haben: „Ich komme zu meinem 
Zwecke und stabiliere die uveränität und setze die Krone fest 
wie einen rocher de bronce, und lasse den Herren Junkers den 
Wind vom Landtag.“,) 
Seit dem 17. Jahrhundert wird die ständische Landes- 
vertretung fast überall beseitigt; die öffentlich-rechtlichen Befug- 
nisse (Ortspolizei, Patrimonialgerichtsbarkeit) der Rittergutsbe- 
sitzer, geistlichen Herren — soweit diese nicht, wie in den zur 
 
	        
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