Full text: Das öffentliche Recht des Deutschen Reichs. I. Teil. Lehrbuch des Staats- und Verwaltungsrechts. (1)

90 8 11. Fürstenstaaten (Monarchien). 
gerichte sowie nach der RVO. und dem AngestVG. ob— 
ligatorisch, für die Beisitzerstellen der Gewerbegerichte fa- 
kultativ eingeführt. In Württemberg ist es neuerdings 
für die Wahlen zur zweiten Kammer vorgeschrieben. 
Hierbei soll vermieden werden, daß infolge von Zufällig- 
keiten große Minoritäten unvertreten bleiben. Es werden daher 
nicht Wahlkreise gebildet, in denen eine geringe Zahl von Kandi- 
daten gewählt werden, sondern jeder Wähler bezeichnet (meist 
nach Einreichung von Listen durch die Parteien, Listen wahl) 
die gesamten zu wählenden Personen, und als gewählt gelten 
dann diejenigen Kandidaten, die die meisten Stimmen auf sich 
vereinigen. Sind z. B. 300 Volksvertreter zu wählen, und 
fallen von den 600 000 abgegebenen Stimmen 300 000 auf die 
sozialdemokratische, 200 O0O0 auf die liberale und 100 000 auf 
die konservative Liste, so werden — in der „Proportion“ 
B3: 2: 1 — die Sozialdemotraten 150, die Liberalen 100, 
die Konservativen 50 Abgeordnete erhalten. Zur Veranschau- 
lichung des Listenwahlverfahrens diene die für die Angestellten- 
versicherung vom Reichskanzler im Rl. veröffentlichte Wahl- 
ordnung vom 22. Oktober 1912 nebst Mustern und Beispielen. 
7) Wählbar sind in der Regel die „aktiv“ Wahl- 
fähigen; zuweilen wird für die Wählbarkeit, die „passive“ 
Wahlfähigkeit, ein höheres Alter erfordert, als für die 
aktive (so in Preußen 30 gegen 24 Jahre, S. 573). 
8) Das Zusammentreten der Kammern und 
Form und Art ihrer Tätigkeit wird durch die 
Verfassung bestimmt. In der konstitutionellen Monarchie 
fehlt ihnen in der Regel das Recht der Selbstver- 
sammlung. Sie können nur auf Berufung des Mo- 
narchen zusammentreten und werden von ihm vertagt. 
Die II. Kammer — und, soweit die I. auf Wahl be- 
ruht, auch diese — kann aufgelöst werden; es müssen 
dann aber Neuwahlen binnen kurzer Frist ausgeschrieben 
werden. 
9) Den Kammermitgliedern wird die Ausübung ihres 
Amtes durch das Institut der Immunität gesichert 
(z. B. RV. 30, 31). Sie können danach weder außerhalb 
der Versammlung wegen ihrer Abstimmung oder der in 
Ausübung ihres Berufes getanen Aeußerungen (straf-, 
zivil-, disziplinargerichtlich) zur Verantwortung gezogen 
noch während der Sitzungsperiode ohne Genehmigung 
der Kammer verhaftet (außer auf frischer Tat oder in
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.