8 19. Staatsfunktionen. Allgemeines. 139
tätigkeit frei ist, soweit für ihre Ausübung lediglich poli-
tische (Zweckmäßigkeits-) Erwägungen leitend sind. Be-
trachtet man die drei Grundfunktionen der Staatstätigkeit:
Gesetzgebung, Rechtsprechung, Verwaltung von diesem Ein-
teilungsgrunde aus, so ergibt sich das folgende.
a. Die Gesetzgebung
des Staates ist grundsätzlich frei (S. 24). Eine
Bindung der staatlichen Gesetzgebung ergibt
sich jedoch:
a. aus völkerrechtlichen Rücksichten, inso-
fern als sich der vertragsmäßig gebundene Staat von
seinen vertraglichen Verpflichtungen durch einseitigen Ge-
setzgebungsakt nicht befreien kann, ohne das Völkerrecht
zu verletzen. Die Aufrechterhaltung des Völkerrechts wird
aber von jedem der an der Kulturgemeinschaft beteiligten
Staaten erwartet, wenn auch eine Obergewalt fehlt, die
die Befolgung der völkerrechtlichen Regeln erzwingen
önnte;
b. bei Staatenverbindungen, insofern als
die Gliedstaaten vielfach in ihrer Betätigungsmöglichkeit
durch den Oberstaat beschränkt sind (S. 102 f.a;
c. aus Vorschriften der Verfassungen,
insofern die hierin festgestellten Rechtsgrundsätze nicht
durch einfaches Gesetz geändert werden können, sondern
nur auf dem Wege der Verfassungsänderung.
8. Die Rechtsprechung
ist grundsätzlich gebunden. Der Richter hat den
ihm vorgelegten Tatbestand nach den bestehenden Rechts-
normen zu beurteilen; er hat das Recht zu finden, nicht
zu schaffen. Immerhin muß auch dem Richter eine ge-
wisse diskretionäre Macht gegeben sein. In früherer
Zeit — so besonders das ALR. — versuchte man, dem
Richter durch Einzelvorschriften für tunlichst alle Zweifel-
fälle gesetzliche Anweisungen zu geben (sog. kasuistische
Gesetzgebung). Heute ist man sich klar darüber, daß
es unmöglich ist, alle Wechselfälle des Lebens voraus-
zusehen und durch gesetzliche Regeln zu entscheiden (so
schon D. 1, 3, 10). Die modernen Gesetzbücher stellen
daher nur die wichtigsten Leitsätze auf und überlassen es