8 19. Staatsfunktionen. Allgemeines. 141
a. entweder zwecks Ausführung der durch die
Gesetzgebung aufgestellten Normen. Insoweit ist die Ver-
waltung gebunden. Man spricht von Vollziehung
(administration);
b. oder als freie Tätigkeit der Staatsorgane zur
Erfüllung der staatlichen Aufga ben. Diese
nach Zweckmäßigkeitsrücksichten geschehende, durch die
Rücksicht auf das Gemeininteresse beherrschte, von Rechts-
normen zwar umgrenzte, aber nicht — gleich der Recht-
sprechung — geleitete Staatstätigkeit heißt Regierung
(gouvernement, administration pure ou discrétionnaire).
Sie findet sich vor allem auf dem Gebiet der auswärtigen
Angelegenheiten.
2. Herrschaftliche oder soziale Staats-
tätigkeit.
Der Angehörige eines Staates ist sein Untertan
(sujet). Gleichzeitig ist er aber auch mit den übrigen
Staatsangehörigen in einer Gemeinschaft verbunden; die
Staatsangehörigen sind Genossen (citoyens). Die Tätig-
keit des Staates erschöpft sich nun nicht ausschließlich in
der Ausübung der Staatsgewalt über die Untertanen.
Vielmehr liegt dem Staat auch die Pflicht ob, den In-
teressen der unter seiner Gewalt lebenden Personen zu
dienen. Diese der Gemeinschaft der Staatsangehörigen
dienende, soziale Staatstätigkeit nimmt ein immer größeres.
Gebiet ein, je mehr sich der Staat dem Ideal des Kultur-
staates (S. 56) nähert. So hat das Deutsche Reich z. B.
die Sozialversicherung geordnet (S. 374), Eisenbahnen
(S. 389) und Kanäle (S. 396) gebaut, Post und Tele-
graphie in eigene Verwaltung übernommen (S. 383).
Nach den Grundfunktionen betrachtet ist die Ge-
setzgebung teils herrschaftlicher, teils sozialer Natur, die
Rechtsprechung stets herrschaftlich, die Verwaltung vor-
zugsweise sozial.