Full text: Das öffentliche Recht des Deutschen Reichs. I. Teil. Lehrbuch des Staats- und Verwaltungsrechts. (1)

154 8 20. Die Gesetzgebung Legislative). 
c. Die Wirksamkeit des Gesetzes. 
1. Formelle und materielle Gesetzes- 
kraft. 
a. Die formelle Kraft eines Gesetzes liegt darin, 
daß es nur wieder durch ein Gesetz geändert werden kann, 
auch wenn das in dem Gesetz geregelte Gebiet durch einen 
bloßen Verwaltungsakt hätte geordnet werden können, wie 
im Falle eines formellen Gesetzes ohne Rechtsinhalt. 
Zuweilen wird ausdrücklich bestimmt, daß eine Verordnung 
nur durch Gesetz (z. B. ES ZPO. 8 6 II, 3), oder umgekehrt, daß 
ein Gesetz auch durch Verordnung geändert werden kann (z. B. 
Zuwachssteuer G. § 66: Ermächtigung des Bundesrats, das Gesetz 
auf weitere Erwerbsfälle auszudehnen). 
8. Die materielle Wirkung eines Gesetzes be- 
steht darin, daß die seinen Inhalt bildende Anordnung 
von einem bestimmten Zeitpunkt an maßgebend ist. 
a. Der Zeitpunkt dieses Inkrafttretens 
wird vielfach im Gesetze selbst bestimmt (z. B. EGBGB. 
Art. 1: „Das BGB.“ — vom 18. August 1896 — „tritt 
am 1. Januar 19000 .. in Kraft“). Mangels einer 
solchen Bestimmung würde das Gesetz sofort mit der Ver- 
kündung in Kraft treten. In den meisten Staaten tritt 
jedoch kraft positiver Bestimmung das Gesetz erst nach 
einer gewissen „Vakationsfrist“ in Kraft. 
So im Deutschen Reich, S. 235, und in Preußen, S. 577, 
mit dem 14. Tage seit Ablauf des Tages, an dem das betreffende 
Stück des Reichsgesetzblattes bzw. der Gesetzsammlung in Berlin 
zur Ausgabe gelangt ist. Längere Fristen bestehen für die 
Konsulargerichtsbezirke und die Schutzgebiete (S. 235). 
b. Das (formelle) Gesetz wirkt, gleichgültig ob es einen 
Rechtssatz oder eine sonstige Anordnung (z. B. Gehalts- 
oder Pensionserhöhungen) enthält, für die Zukunft, tritt 
also mit seinem Inkrafttreten an die Stelle bisheriger 
widersprechender Gesetze (lex posterior derogat priori, 
L. I §5b). Dagegen wirkt es grundsätzlich nicht in die 
Vergangenheit. Das Gesetz kann sich aber rückwir- 
kende Kraft beilegen, auch wenn dadurch in sog. 
wohlerworbene Rechte (iura quaesita) eingegriffen 
wird; inwieweit dies zweckmäßig ist und in welchem Um- 
fange den Betreffenden eine Entschädigung gewährt werden 
soll, ist eine Frage der Gesetzgebungspolitik (S. 24). 
So schon C. 1, 14, 7: Leges et constitutiones futuris
	        
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