Full text: Das öffentliche Recht des Deutschen Reichs. I. Teil. Lehrbuch des Staats- und Verwaltungsrechts. (1)

8 20. Die Gesetzgebung (Legislative). 155 
certum est dare formam negotiis non ad facta præterita revocari 
nisi nominatim etiam de præterito tempore adhuc pendentibus 
negotiis cautum sit. Vgl. L. I § 7 und Ferdinand Lassalle, 
System d. erworbenen Rechte (1861, 2. A. 1880); Affolter, 
D. intertemporale Recht (I. 02). Selbstverständlich ist die Rück- 
wirkung bei Interpretationsgesetzen (authentische Interpretation), 
natürlich bei strafmildernden Gesetzen (StGB. § 21I 
2. Richterliches Prüfungsrecht. 
a. Staatliche Aenderungen, die die Untertanen ver- 
pflichten sollen, können keinesfalls anders als durch ge- 
hörige Verkündung für sie wirksam werden (so ausdrück- 
lich Pr Vll Art. 106 1, S. 577). Die Untertanen haben 
daher mindestens das Recht der Nachprüfung, ob eine 
Anordnung, der sie unterworfen sein sollen, wirksam ver- 
kündet ist. Zweifelhafter ist die Frage, ob diese Nach- 
prüfung sich auch auf die Wirksamkeit eines gehörig ver- 
kündeten Gesetzes erstrecken dürfe. Da diese Nachprüfung 
meist in Straf-, Zivil= oder Verwaltungsprozessen erfolgen 
muß, so spricht man von „„ichterlichem“" Prüfungsrecht 
gegenüber gehörig verkündeten staatlichen Anordnungen. 
Jeder Untertan und jede Behörde haben aber dieses Recht, 
soweit es überhaupt besteht. 
8. Die Frage der Nachprüfung wird vorwiegend nach 
zwei Richtungen praktisch. Hat der Richter die Befugnis, 
nachzuprüfen: 
a. ob das als Gesetz Verkündete auf dem verfassungs- 
mäßig vorgeschriebenen Wege zustandegekommen ist? 
(Frage der ordnungsmäßigen Entstehung des 
Gesetzes) 
b. — im konstitutionellen Staate — ob für das 
mittelst bloßer Verordnung Festgesetzte der Verord- 
nungsweg zulässig war oder der Weg der Gesetz- 
gebung hätte beschritten werden müssen? 
Soweit nicht das positive Recht des einzelnen Staates 
etwas anderes vorschreibt, ist die Nachprüfung der 
ordnungsmäßigen Entstehung des Gesetzes (der 
sog. interna corporis, wie Beschlußfähigkeit, Abstimmung, 
Textfeststellung) dem Richter entzogen. Denn durch 
die Sanktion (S. 152) übernimmt das hierzu berufene 
Staatsorgan die Verantwortung dafür, daß das sank-
	        
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