Full text: Das öffentliche Recht des Deutschen Reichs. I. Teil. Lehrbuch des Staats- und Verwaltungsrechts. (1)

180 8 23. Die Organisation der Verwaltung. 
wurde zunächst aus einem frei entziehbaren Amt zu einem nach 
Lehnrecht vererblichen, mit einem bestimmten Territorium ver- 
bundenen Recht. Dem gegenüber behielt der König in den 
Territorien nur die Hoheitsrechte, die nicht mit dem Grafenamt 
verbunden waren. Aber auch diese Rechte gingen bald an die 
Territorialherren, die nunmehrigen domini terrae über. Die 
Landesherren vereinigten grundsätzlich die Territorialverwaltung 
in ihrer Person und übten diese durch unmittelbar von ihnen 
abhängige Amtmänner, deren Aufsicht dem Landvogt, Landes- 
hauptmann (Witztum) zustand. Tatsächlich übten dese die Lan-ä 
deshoheit nur auf den landesherrlichen Domänen in vollem Um- 
fange aus; denn die landsässigen Ritter, die Prälaten und die 
Städte hatten einen Teil der Hoheitsrechte, besonders die Ge- 
richtsbarkeit und Polizei, zu eigenem Recht erworben. Dieser 
Zustand erhielt sich bis in das 18. Jahrhundert. Seither trat in 
Verbindung mit dem Aufkommen des stehenden Heeres, dem 
damit zusammenhängenden Verfall des Lehnswesens und der 
Entwicklung des Absolutismus eine starke Konzentration der 
Verwaltung ein, am energischsten in Brandenburg-Preußen (S. 
20s Einen auch für die übrigen deutschen Staaten vorbildlichen 
Anstoß zur erneuten Dezentralisation der Verwaltung gab die 
epochemachende Stein'sche Städteordnung vom 14. Nov. 1808, die 
zunächst für die Städte den Grundsatz der Selbstverwaltung 
im deutschen (Wahrnehmung kommunaler Aufgaben zu eigenem 
Recht) und englischen Sinne (unter Heranziehung von gewählten 
ehrenamtlich tätigen Laien) einführte. Für das platte Land und 
die hohen Verwaltungsorgane ist dieser Grundsatz erst durch die 
Gesetzgebung seit 1872 durchgeführt worden (vgl. S. 614 ff.). 
3. Wirkungskreis der Selbstverwal- 
tungskörper. 
a. Soweit Anstalten, d. h. juristische Personen 
des öffentlichen Rechts, in Frage stehen, ergibt sich der 
Umfang der ihnen zustehenden staatlichen Geschäfte und 
der Personenkreis, auf den sich ihre Verwaltung erstreckt, 
aus ihrer Zweckbestimmung, so bei Innungen, Berufs- 
genossenschaften, Krankenkassen. Schwieriger ist die Um- 
grenzung der Aufgaben und des Kreises der beteiligten 
Personen bei den Selbstverwaltungskörpern mit territo- 
rialen Beziehungen, d. h. den Gebietskörperschaf- 
ten, also den Gemeinden (Kommunen) und deren höheren 
Zusammenfassungen (Kommunalverbänden). Der Umfang 
der ihnen obliegenden öffentlichen Aufgaben wird durch 
Rechtsnormen (Gesetz oder Gewohnheitsrecht) bestimmt. 
Dabei ist zu unterscheiden: 
der eigne Wirkungskreis („kommunale Selbst-
	        
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