194 8 26. Der Norddeutsche Bund und das Deutsche Reich.
rücksichtigt gelassen mit der auf ein Gutachten der preußischen
Kronsyndici gestützten Begründung, daß er durch den Verzicht
seines Vaters gebunden sei.
Das seit dem Wiener Frieden 1864 beginnende Kondo-
minat wurde bald unhaltbar. Im Gasteiner Vertrag
1865 (S. 62) übernahm Osterreich unter Aufrechterhaltung des
Kondominats, das aber nur einstweilen — bis zur anderweiten,
endgültigen Entscheidung des Schicksals Schleswig-Holsteins —
bestehn bleiben sollte, die Verwaltung Holsteins, Preußen die-
jenige Schleswigs. Das Elbherzogtum Lauenburg wurde gegen
Entschädigung an den König von Preußen abgetreten (und blieb
bis 1876 in dieser sog. Personalunion, S. 530). Doch der Streit
um die Zubkunft Schleswig-Holsteins und im Zusammenhange damit
um die Neugestaltung des gesamten Deutschlands dauerte fort. Am
9. April 1866 stellte Preußen beim Bundestage den Antrag auf
Bundesreform unter Heranziehung einer Nationalvertretung. Am
1. Juni 1866 gab ÖOsterreich einseitig die Entscheidung der
Schleswig-Holsteinischen Frage dem Bundestag anheim und be-
rief die Holsteinischen Stände. Preußen erklärte hierauf den
Gasteiner Vertrag, den ja die beiden Großmächte als solche,
nicht aber in ihrer Eigenschaft als Bundesglieder geschlossen
hatten, durch die Anrufung des Bundestages für gebrochen und
rückte zur Wahrung seines Mitbesitzes in Holstein ein. Nunmehr
beantragte Österreich die Mobilmachung aller nichtpreußischen
Armeekorps, was jedenfalls bundesverfassungswidrig war, weil
höchstens das Austrägalverfahren (S. 190) wegen Besitzstörung
zulässig gewesen wäre. Als der Bundestag am 14. Juni 1866
in nicht ganz einwandfreiem Verfahren den österreichischen An-
trag angenommen hatte, erklärte der preußische Gesandte von
Savigny den bisherigen Bundesvertrag für erloschen, indem
er gleichzeitig die „Grundzüge einer Bundesreform“ vorlegte,
die den Regierungen schon durch Rundschreiben vom 10. Juni
mitgeteilt waren. Der Verlauf des ausbrechenden Krieges
entschied zugunsten Preußens und seiner Verbündeten. Osterreich
gab im Präliminarfrieden von Nikolsburg vom 26. Juli 1866
und im Frieden von Prag (23. August 1866) seine Zustimmung
zu einer Neugestaltung Deutschlands unter preußischer Führung
ohne Osterreich und trat seine Ansprüche auf die Elbherzogtümer an
Preußen ab. Am 24. August 1866 löste sich der nach Augsburg
übergesiedelte Bundestag auf.
Der neuen Regelung der Dinge traten die übrigen Teil-
nehmer des Deutschen Bundes, soweit sie nicht (Hannover, Kur-
hessen, Nassau, Frankfurt a. M.) durch den Krieg ihre Selbstän-
digkeit verloren hatten, in den Berliner Friedensverträgen bei.
Der König der Niederlande (für Luxemburg und Limburg) und
die bei dem Wiener Kongresse beteiligten Großmächte erkannten
die Auflösung im Londoner Vertrage vom 11. Mai 1867
an. Nur mit dem Fürstentum Liechtenstein (Hauptstadt
Vaduz), das seit 1862 in einem Atzessionsverhältnis (S. 1060)
zu Österreich steht, ist kein besonderer Friedensvertrag geschlossen