Full text: Das öffentliche Recht des Deutschen Reichs. I. Teil. Lehrbuch des Staats- und Verwaltungsrechts. (1)

8 26. Der Norddeutsche Bund und das Deutsche Reich. 197 
dieselbe übertragenen Rechte, Befugnisse und Pflichten über- 
nommen habe. 
3. Für den Norddeutschen Bund bildete der Main die De- 
markationslinie. Von den Gliedern des Deutschen Bundes 
fehlten ÖOsterreich (nebst dem mit ihm durch Akzessionsvertrag 
verbundenen Fürstentume Liechtenstein, S. 194), Bayern, Würt- 
temberg, Baden und Südhessen, Limburg und Luxemburg (S. 190). 
Allein Art. 79 der Norddeutschen Bundesverfassung sah den 
Eintritt der Südstaaten im Wege der Bundesgesetzgebung (also 
ohne daß es einer Anderung der Verfassung bedurfte) bereits 
vor. Mit den Südstaaten waren ferner von Preußen bereits 
durch die Friedensverträge Schutz= und Trutzbündnisse vereinbart 
worden, während die im Prager Frieden vorgesehene Vereini- 
gung der Südstaaten zu einem Südbunde nicht zustande kam. 
Endlich war durch den am 8. Juli 1867, zunächst auf 10 Jahre, 
zwischen dem Norddeutschen Bund und den Südstaaten geschlossenen 
Zollvereinsvbertrag ein weiteres, wenn auch nur völker- 
rechtliches Band um ganz Deutschland geschlungen worden. Nach 
demselben bildete nunmehr ganz Deutschland (ohne Osterreich) 
für die Erhebung der Zölle eine Einheit, an deren Spitze 
Preußen stand, und welche in dem Bundesrate des Zoll- 
vereins (gebildet aus dem Norddeutschen Bundesrat und Ver- 
tretern der süddeutschen Regierungen) sowie dem Zollparla-= 
mente (gebildet aus dem Reichstage des Norddeutschen Bundes 
und süddeutschen Abgeordneten) ihre verfassungsmäßigen Organe 
hatte. Auch Luxemburg gehörte dem Zollverein an, hatte aber 
an seiner Verfassung keinen Anteil. Der Zollanschluß besteht 
auch heute noch; seit 1872 sind übrigens die Wilhelm-Luxemburg- 
Eisenbahnen in die Verwaltung des Reiches übernommen (ogl. 
H. II § 31 c4 2 . 
4. Die Frage nach dem Rechtsgrunde der Nord- 
deutschen Bundesverfassung (und ebenso der Reichs- 
verfassung) ist eine der zweifelhaftesten des modernen Staats- 
rechts (vgl. S. 120). 
a. Nach Seydel und Arndt ist die Verfassung nur ein 
übereinstimmendes Landesgesetz der beteiligten 22 Staaten. 
8. Georg Meyer und Schulze sehen in ihr einen 
völkerrechtlichen Vertrag, eine „Vereinbarung“ (im 
Sinne des zwischenstaatlichen „Gesamtaktes“, S. 60), mit dem 
Zweck der Herstellung eines Neustaates. Die Verfassung sei 
ihrer Entstehung nach Vertrags-, ihrer Geltung nach Gesetzesrecht 
(über eine Folgerung aus dieser Lehre siehe unten S. 205). 
v. Hänel hat die Auffassung vertreten, daß die Ver- 
fassung als ein für alle beteiligten Staaten unmittelbar ver- 
bindliches Bundesgesetz in Wirksamkeit getreten sei. 
d. Laband führt aus, daß die Gründung des Norddeut- 
schen Bundes durch freie Willenstat der 22 Staaten erfolgt sei, 
die hierdurch ihrer durch die Augustbündnisse übernommenen 
Verpflichtung genügt hätten. Ohne eine bestimmte Verfassung 
habe der Bund nicht ins Leben treten können, vielmehr habe er
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.