208 § 29. Das Reich und die Bundesstaaten.
der Einzelstaaten, nicht ohne deren Zustimmung aufgehoben wer-
den könnten.
b. Pflichten und Rechte der Bundes-
staaten.
Die Einzelstaaten haben gleich den Mitgliedern
privatrechtlicher Körperschaften (L. 1 § 15 b 4) Pflichten
und Rechte.
1. Pflichten.
Bezüglich der Pflichten stehen die Einzelstaaten zum
Reiche wie die Untertanen zum Staate: zu ihrer Er-
füllung sind sie staatsrechtlich, auf Grund der Ver-
fassung, nicht völkerrechtlich, auf Grund von Verträgen,
gehalten und können gemäß Art. 19 durch die vom
Bundesrate zu beschließende, vom Kaiser zu vollstreckende
Bundesexekution dazu gezwungen werden. Die
Pflichten der Bundesstaaten bestehen im Gehorsam gegen-
über dem Reich und seinen Anordnungen, insbesondere
in der Durchführung der vom Reich erlassenen Gesetze
und in gewissen positiven (militärischen, finanziellen usw.)
Leistungen (RV. Art. 58, 70).
2. Rechte der Einzelstaaten sind:
a. Die Mitgliedschaftsrechte, d. h. die je-
dem Bundesstaate kraft seiner Zugehörigkeit zum Reich
in gleicher Weise zustehenden Rechte. Sie beruhen darauf,
daß die Einzelstaaten dem Reich einen Teil ihrer Hoheits-
rechte zur ausschließlichen Ausübung übertragen (vgl.
S. 206) und daher Anspruch darauf haben, daß das Reich,
ihnen gegenüber die diesen Rechten entsprechenden
Pflichten nunmehr auch ausübe. Hieraus folgt einmal,
daß sie, dem bundesstaatlichen Charakter des Reichs ent-
sprechend, allen Mitgliedern gleichmäßig zustehen,
ferner aber, daß durch die Reichsgesetzgebung auf dem
Wege der Verfassungsänderung (RV. Art. 78), aber auch
wiederum nur allen Mitgliedern gegenüber gleich-
mäßig, diese Rechte entzogen oder hinsichtlich ihres In-
halts verändert werden können.
Zu diesen Rechten gehören insbesondere: der Anspruch auf
Rechtsschutz, militärischen und diplomatischen, seitens des
Reichs (nicht nur gegenüber dem Auslande, sondern auch gegen-
über den übrigen Bundesstaaten, soweit ihn das Reich gewähr-
leistet, . B. in Art. 76 durch Handhabung des obersten Richter-