§ 29. Das Reich und die Bundesstaaten. 209
amts), ferner der Anspruch auf Benutzung der Reichsein-
richtungen und auf Teilnahme an der Bildung der Wil-
lensorgane des Reichs (hinsichtlich des Bundesrats gemäß
dem in RV. Art. 6 vorgeschriebenen Stimmenverhältnisse, S. 238),
sowie endlich der Anspruch darauf, daß die in den Eingangsworten
(sog. Präambel) zur NV. als Zweck des Bundes hingestellte
Pflege der Wohlfahrt des deutschen Volks allen Mit-
gliedern gegenüber gleichmäßig betätigt werde.
8. Die Sonderrechte (iura singularia),
d. h. Befugnisse, welche nur einzelnen Bundesstaaten
auf Grund besonderen Titels zukommen. Da diese Rechte
Ausnahmen von der, aus dem bundesstaatlichen Charakter
des Reichs folgenden, grundsätzlichen Gleichheit (S. 122)
aller Mitglieder darstellen, so bedarf ihre Entstehung
stets eines besonderen Rechtsgrundes, ihre Auf-
hebung stets der Zustimmung des berechtigten Bundes-
staats (N. Art. 78 1.).
Derartige Sonderrechte sind der Verfassung der außer-
deutschen Bundesstaaten, der Schweiz (S. 125) und der Nordameri-
kanischen Union (S. 126), welche das Prinzip der Gleichberechti-
gung ihrer Mitglieder durchgehends festhalten, nicht bekannt.
Unter den iura singularia kann man wieder
zwei Gattungen unterscheiden:
a. Sonderrechte, welche einem Bundesstaat eine Be-
vorzugung hinsichtlich der Organisation des
Reichs gewähren.
Hierher gehören die folgenden Sonderrechte:
1) Das Recht Preußens auf das Präsidium (S. 243).
2) Das Recht Bayerns auf 6 (statt der ihm eigentlich
nur gebührenden 4) Stimmen im Bundesrate (NV. Art. 6,
S. 238; nach Loening, Seydel, Arndt ist die Stimmen-
verteilung im Bundesrat überhaupt ein ius singulare der ein-
zelnen Staaten); auf den Vorsitz im Bundesrate bei Be-
hinderung Preußens (Bayerisches Schlußprotokoll IX, S. 241);
auf ständigen Sitz in den. Bundesratsausschüssen
für Landheer und Festungen und für die auswär-
tigen Angelegenheiten l(in diesem mit dem Rechte des
Vorsitzes, RV. Art. 8 III); auf Vertretung behinderter
Reichsgesandten durch seine Gesandten (Bayerisches Schluß-
protokoll VI.).
3) Das Recht Württe mbergs auf ständigen Sitz in
den Bundesratsausschüssen für Landheer und Fe-
stungen und für die auswärtigen Angelegenheiten
(RV. Art. 8 III).
4) Das Recht Sachsens auf ständigen Sitz in den
Bundesr atsausschüssen für Landheer und Fe-
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