Full text: Das öffentliche Recht des Deutschen Reichs. I. Teil. Lehrbuch des Staats- und Verwaltungsrechts. (1)

230 § 32. Die Reichsgesetzgebung. 
teils zu Dienstleistungen. Zu den Sachleistungen ge- 
hört die Steuerpflicht (S. 460) und die Pflicht, im 
öffentlichen Interesse gewisse Vermögensstücke, regel- 
mäßig allerdings gegen Entschädigung, hinzugeben (Ex- 
propriation und Militärlasten, S. 542, 306). Zu 
den Dienstleistungen gehört die S. 300 besprochene 
Wehrpflicht und die Plicht zur Übernahme gewisser 
Ehrenämter (munera publica), besonders des Schöffen- 
und Geschworenenamts (GVG. 8§8 31 ff., 84 ff.) und 
des Amts eines Vormunds (BeB. 88 1785 ff.). Über 
die beschränkte Heranziehung der Ausländer vgl. S. 321. 
§ 32. III. Die Reichsgesetzgebung. 
a. Ausübung der Gesetzgebung. 
Nach RV. Art. 2 übt innerhalb des Bundes- 
gebiets (RV. Art. 1, S. 212) das Reich das Recht 
der Gesetzgebung aus. 
1. Gesetzgebende Faktoren sind (RV. Art. 5) 
der Bundesrat (S. 239) und der Reichstag (S. 253), 
nicht auch der Kaiser; denn ihm steht nach NV. 
Art. 17 nur die Ausfertigung und Verkündung der 
Reichsgesetze zu. 
Die Verkündungsformel (S. 234) der Reichsgesetze 
(„Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König 
von Preußen usw. verordnen im Namen des Reichs soder des 
Deutschen Reichs] nach erfolgter Zustimmung des Bundesrats 
und des Reichstags, was folgt: .“ bringt dies — trotz der 
offenbar beabsichtigten Abweichung von der Eingangsformel der 
preußischen Gesetze („Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden 
König von Preußen ufw., verordnen mit soder unter] Zu- 
stimmung beider Häuser des Landtags Unserer soder der] Mo- 
narchie, was folgt ..) nicht völlig getreu zum Ausdrucke. 
Denn sie erweckt immerhin den Anschein, als ob der Erlaß des 
Gesetzesbefehls, die „Sanktion“ (S. 152), vom Kaiser ausgehe 
und Bundesrat und Reichstag die beiden Kammern einer Volks- 
vertretung seien. 
Über die abweichende Rechtslage in Elsaß-Lothringen und 
in Preußen vgl. unten S. 483, 575. 
2. Zu einem Reichsgesetze sind im allgemeinen 
Mehrheitsbeschlüsse der beiden gesetzgebenden 
Versammlungen erforderlich und ausreichend (RV. Art. 5) 
mit folgenden Ausnahmen:
	        
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