Full text: Das öffentliche Recht des Deutschen Reichs. I. Teil. Lehrbuch des Staats- und Verwaltungsrechts. (1)

§ 32. Die Reichsgesetzgebung. 235 
Der im Texte vertretenen Ansicht folgen Laband (vgl. S. 152), 
Zorn, Haenel; a. M. besonders Gierke, welcher die Ausferti- 
gung lediglich als eine selbstverständliche Folge des Verkündungs- 
rechts auffaßt. Die RV. (Art. 17) unterscheidet jedenfalls Aus- 
fertigung und Verkündung (noch schärfer die Verfassung von 
Elsaß-Lothringen, RG. vom 31. Mai 1911 Art. II 8 5). 
b. Streit herrscht ferner darüber, ob ein vom Reichstag 
beschlossener oder genehmigter Gesetzentwurf noch vom Bundes- 
rat sanktioniert und vom Kaiser ausgefertigt und verkündet 
werden kann, nachdem die Legislaturperiode abgelaufen ist und 
Neuwahlen zum Reichstage stattgefunden haben. Diese Frage, 
die zuletzt bei Aufhebung des § 2 des Jesuitengesetzes, S. 310, 
aufgeworfen worden ist, ist — rebus sic stantibus, d. h. wenn sich 
die Voraussetzungen, unter denen der Gesetzentwurf gefaßt ist, 
bhichheesentlich geändert haben — zu bejahn (Laband, Dz93. 
d. Die Verkündung im Reichsgesetzblatte 
verleiht endlich den Gesetzen ihre verbindliche Kraft, 
und zwar mit dem vierzehnten Tage nach dem Ablaufe 
des Publikationstages (RV. Art. 2; also, wenn dieser 
der 1. eines Monats ist, am 15.; vgl. L. I § 2 b 3), 
sofern das betr. Gesetz nicht, wie es in den modernen 
Gesetzen meist geschieht, einen anderen Anfangstermin be- 
stimmt. « 
a. Verzögert sich die Verkündung über diesen Tag oder 
seinen Anfang hinaus, so tritt das Gesetz mit der Verkündung in 
Kraft (streitig, wie hier Laband). 
b. Streitig ist, wann die Reichsgesetze in Ermangelung 
besonderer Bestimmung für die im Auslande lebenden Reichs- 
angehörigen wirksam werden. 
1) Bezüglich der Kon sularjurisdiktionsbezirke 
(oben S. 16) bestimmt KG#G. 8 30 (vgl. SchGG. 8 9) besonderes: 
Neue Gesetze erlangen mangels besonderer Vorschriften in 
den in Europa, Agypten und an der asiatischen Küste des Schwar- 
zen oder des Mittelländischen Meeres liegenden Konsulargerichts- 
bezirken mit dem Ablaufe von zwei, im übrigen (auch in den 
Schutzgebieten) von vier Monaten, berechnet von dem der Aus- 
gabe des betreffenden Stücks des Reichsgesetzblatts oder der Pr. 
Gesetzsammlung in Berlin folgenden Tage, verbindliche Kraft. 
Dies gilt aber nur für die nach KGG § 19 (SchG#G. 8 3) in Kraft 
tretenden Gesetze, nicht für die besonders für die Konsulargerichts- 
bezirke oder Schutzgebiete erlassenen Gesetze; auf diese findet RV. 
Art. 2 Anwendung (streitig). - 
2) Dagegen fehlt eine solche Bestimmung z. B. in dem 
RG. vom 4. Mai 1870 über die Eheschließung und die Beur- 
kundung des Personenstands von Reichsangehörigen im Aus- 
land. In einem solchen Falle beginnt nach der einen Ansicht 
(Binding) die Geltung des Gesetzes — wie für das Inland
	        
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