§ 36. Anh. z. § 35. Die polit. Parteien im Reichstag. 261
rend der Ara der „konservativ-liberalen Paarung“ (von den
Reichstagswahlen 1907 bis zum Fortgange Bülows anläßlich
der Reichsfinanzreform von 1909, S. 414) mit den Liberalen.
Den neu auftauchenden politischen Gedanken (Ausbau der Marine,
Kolonialerwerb, Staatssozialismus) hat die konservative Partei
Verständnis entgegengebracht. Von den Gegnern wird ihr Bevor-
zugung der agrarischen teressen und Unterstützung kirchlich-
orthodoxer und feudaler Bestrebungen vorgeworfen.
Gegenwärtige Führer der Deutschkonservativen sind:
v. Heydebrand, Graf Schwerin-Löwitz (Abgeordnetenhauspräsi-
dent), Frhr. v. Manteuffel, v. Oldenburg, Oertel und
Rösicke (B. d. L.), Graf Westarp; Parteiblätter sind u. a.
— außer den meisten preußischen Kreisblättern — die Kreuz-
zeitung, die Deutsche Tageszeitung (B. d. L.), die Schlesische
eitung.
d. Zum Kampfe gegen Sozialdemokratie, Kapitalismus und
Judentum mit Hilfe der Kirche hatten konservative Kreise (Ver-
ein für Sozialreform) unter Führung des Hofpredigers Adolf
Stöcker und Professors Adolf Wagner 1878 die Christ-
lich-Soziale Arbeiterpartei gegründet. Unabhängig
davon hatte sich 1886 in Hessen eine antisemitische Vereinigung
gebildet, die sich aber schon 1889 in eine konservative („Deutsch-
Soziale Partei“, Liebermann v. Sonnenberg) und eine
demokratische Richtung („Deutsche Reformpartei“, Böckel)
spaltete. Im 1912 gewählten Reichstage wurde die letztere
anfänglich noch mit 3 Mitgliedern als Fraktion geführt; nach-
dem aber zwei dieser Mitglieder der Wirt schaftlichen
VBVereinigung, einer seit 1903 bestehenden Vereinigung süd-
deutscher Agrarier, Deutsch-Sozialer und Christlich-Sozialer, bei-
getreten sind, wird das dritte Mitglied als „Wilder“, d. h.
keiner Fraktion zugehörig geführt. Neuerdings haben sich die
Antisemiten zur deutsch-völkischen Partei zusammen-
geschlossen.
3. Die Liberalen.-)
a. Die liberalen Parteien traten parlamentarisch zuerst auf
dem preußischen Vereinigten Landtage (1847, S. 516), vor allem
aber in der Frankfurter Nationalversammlung
(1848, S. 191) mit festumschriebenen Programmen hervor. In
der Nationalversammlung stellten die nach ihren Sitzen, üblicher
aber wegen der mehrfachen Spaltung nach ihren Versammlungs-
lokalen bezeichneten Parteien der Rechten, des rechten Zen-
trums ( ,„Professorenpartei“, Beseler, Dahlmann, Droysen,
*) Berger, Der alte Harkort (4. A. 02); Klein-Hat-
tingen, Geschichte des deutschen Liberalismus (11); Kalkoff,
D. nationall. Fraktion (13); Friedrich Naumann, Demo-
kratie und Kaisertum (3. A. 05); Die polit. Parteien (3. A. 10);
Onucken, Rudolf v. Bennigsen (10); Politisches Hand-
buch der Nationalliberalen Partei (08).