262 836. Anh. z. 8 35. Die polit. Parteien im Reichstag.
Duncker, Grimm, Welcker, Waitz), des linken Zentrums
und der Linken nur Spielarten des Liberalismus, vom ge-
mäßigten bis zum revolutionären, dar; eine eigentliche reaktio-
näre (konservative) Partei bestand nicht, abgesehen vielleicht
von der äußersten Rechten, der „Partei Milani“ unter v. Rado-
witz und v. Vincke. Die liberalen Fraktionen umfaßten mehr
als 23 der 586 Abgeordneten. Ebenso waren aus den Wahlen
zur Preußischen Konstituierenden Nationalversamm-
lung fast nur Liberale und Radikale hervorgegangen. Auch
hier war die sehr gemäßigte, aber immerhin konstitutionelle
Rechte (Peter Reichensperger), ein rechtes (v. Unruh, Duncker)
und ein linkes (Rodbertus, Schulze-Delitzsch Zentrum und
die radikale Linke zu unterscheiden (Johann Jacoby, der Ver-
fasser der „Vier Fragen“, 1841, Obertribunalsrat Waldeck
S. 517).
b. Mit dem Siege der Reaktion und der Reaktivierung
des Bundestags wurde der Liberalismus zurückgedrängt. In
der „Landratskammer“ (1855—1858) hatten die Liberalen, die
1849 über 279 Sitze verfügt hatten, nur noch 48 inne. Mit
dem Beginn der Regentschaft unter dem Prinzregenten Wil-
helm (I.) wird der Liberalismus in Preußen gestärkt. Die
konservative Partei sinkt auf 60, die liberale steigt auf 210
Mitglieder, unter diesen Vincke, Forckenbeck, Gneist, Harkort,
Waldeck, Schulze-Delitzsch. Nunmehr erfuhr auch der Gedanke
der nationalen Einigung eine Neubelebung in dem 1859 gegrün-
deten „Deutschen Nationalverein“, an dessen Spitze
Rudolf v. Bennigsen trat. Das gute Einvernehmen zwischen der
liberalen Partei und der preußischen Regierung endete jedoch
schon gelegentlich des Konflikts über die Militärvorlage. Die
1861 zur „Deutschen Fortschrittspartei“ zusammen-
geschlossenen Linksliberalen verfügten um 1862—1866 über etwa
250 der damals 352 Sitze.
c. Wie bei den Konservativen (S. 260), so führte auch bei
den Liberalen die Frage der Indemnität eine Parteispaltung
herbei: die gemäßigt-liberalen Elemente schieden sich 1866 von
den radikalen (Virchow und Eugen Richter) und gründeten die
„Nationalliberale Partei“, die für 10 Jahre die Re-
gierungspartei bildete. Sie rekrutierte sich zu einem wesentlichen
Teile aus den annektierten Provinzen (v. Bennigsen, Micguel.
Bamberger) und erreichte ihre Höchstziffer im Reichstage von
1874 (155 Sitze gegen 49 der Fortschrittspartei). Ihr ist die
unterstützung von Bismarcks großdeutscher Politik, die Fest-
stellung der Verfassungen und die erste große AKra der Reichs-
gesetzgebung einschließlich der Reichsjustizgesetze (187) zu danken;
auf sie stützte sich Bismarck im Kulturkampf. Sie war eine
den jeweiligen Verhältnissen sich anpassende (opportunistische)
Partei (Kompromiß bei den Reichsjustizgesetzen, z. B. über
EGGVG. 8 11), während die „prinzipientreue“ Fortschritts-
partei stets in der Opposition blieb, die Norddeutsche Bundes-