362 5J 46. Gewerbliche Arbeiter.
J. Rechtliche Behandlung der Verbände.
a. Die Gewerkschaften wie die Arbeitgeberverbände
sind politische Vereine im Sinne des § 3 VerWc.
(S. 436); denn sie wollen das in § 152 GewO. gedachte
Ziel der Erlangung günstiger Lohn= und Arbeitsbedingun-
gen unter Einwirkung auf die Gesetzgebung und Verwal-
tung verwirklichen.
Die Behandlung der Gewerkschaften als politischer Vereine
ist streitig. Die Gewerkschaften selbst wehren sich dagegen, weil
sie dann Satzung und Verzeichnis der Vorstandsmitglieder der
Polizei einreichen müßten und keine jugendlichen Mitglieder
haben dürften (VerG. §§ 3, 17). Soweit Gewerkschaften sich im
Rahmen des § 152 GewO. wirklich nur mit Berufs-- und Stan—
desfragen befassen und keine Einwirkung auf die Gesetzgebung
bezwecken, sind sie als politische Vereine jedenfalls nicht anzu-
sehn. Die Frage ist im Frühjahr 1914 erneut Gegenstand der
öffentlichen Besprechung geworden, nachdem der Berliner Poli-
zeipräsident die Gewerkschaftsvorstände zur Einreichung der Sat-
zung und des Verzeichnisses der Vorstandsmitglieder aufgefordert
hat.
b. Privatrechtlich fallen sie in der Regel unter den
nichtrechtsfähigen Verein (BEe. 8 54). Sie
könnten ja als nicht einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb
bezweckende Vereine (BGB. 8§ 21) durch Eintragung in
das Vereinsregister Rechtsfähigkeit erlangen; da sie aber
sozialpolitische Zwecke verfolgen, unterliegen sie dem Ein-
spruchsrecht der Verwaltungsbehörde (BE. 8 61).
Die vielfach sehr vermögenden Gewerkschaften stellen ihre
Vermögensstücke in der Regel auf den Namen von Treuhändern.
Der vor einigen Jahren unternommene Versuch, die Berufsvereine
gesetzlich zu erfassen und ihr Vermögen damit der Besteuerung
zu unterwerfen, ist gescheitert.
4. Tarifverträge.
Der Zusammenschluß der beiden im Lohnkampf ein-
ander gegenüberstehenden Interessentengruppen hat einer-
seits diese Kämpfe schärfer gestaltet (Möglichkeit eines
„Generalstreiks“). Anderseits ist das Bewußtsein,
es mit einem ebenbürtigen Gegner zu tun zu haben, ge-
eignet, die leichtfertige Herbeiführung von Streiks und
Aussperrungen zu verhindern und das Verantwortlichkeits-
bewußtsein der Führer zu stärken. Diese Überzeugung und
die straffe Zucht, in der die Verbände ihre Mitglieder
zu halten wissen, führen mehr und mehr dazu, den Aus-