Full text: Das öffentliche Recht des Deutschen Reichs. I. Teil. Lehrbuch des Staats- und Verwaltungsrechts. (1)

364 8 46. Gewerbliche Arbeiter. 
Ende 1912 bestanden im Deutschen Reiche fast 11 000 Tarif- 
gemeinschaften in 160 000 Betrieben mit 1,6 Mill. Arbeitneh- 
mern. An der Spitze stehen die Buchdruckgewerbe mit karlf- 
licher Bindung von 670 aller Arbeiter. 
5. Arbeitskammern. 
Die Gesetzgebung hat bisher Interessenvertre- 
tungen der Arbeiterschaft (nach dem Vorbilde der Han- 
dels-, Handwerks-, Landwirtschaftskammern), die auch bei 
Lohnkämpfen und Tarifverträgen die Vermittelung über- 
nehmen könnten, nicht zu schaffen vermocht. 
Ein diesbezüglicher Gesetzentwurf ist zwar im Reichstag 
(1910) beraten worden (S. 353), scheiterte aber, da die Regierung 
weder die Staatswerkstättenarbeiter in das Gesetz einbezogen 
wissen noch die Arbeitersekretäre zu den Kammern als Arbeiter- 
vertreter zulassen wollte. Diese Arbeitersekretäre leiten die von 
den Gewerkschaften organisierten Auskunftsstellen für Rechts- 
schutz und Berufsfragen und nehmen in der Arbeiterbewegung 
eine führende Stelle ein. Sie werden übrigens auch vor dem 
Gerbe- Kaufmannsgericht nicht als Vertreter zugelassen 
Nur fakultativ ist die Tätigkeit des Gewerbe= und Kauf- 
mannsgerichts als Einigungsamt (GG. 88 62 ff., KGG. 8 17). 
Vgl. ferner HAG. 8 195 (Förderung des Abschlusses von Tarif- 
verträgen durch die Fachausschüsse, S. 353). 
c. Die Lohnzahlung. 
1. Verbot des Trucksystems. 
Verboten und strafbar ist im allgemeinen die Lohn- 
zahlung an die Arbeiter (auch von Bergwerken usw., da- 
gegen nicht an Gehilfen und Lehrlinge in Apotheken 
und Handlungsgehilfen und lehrlinge) in anderer 
Weise als unter Berechnung in Reichswährung und 
bar (8§8 115 I, 1460). 
a. Demnach ist unstatthaft das sog. 
Truck= (spr. tröck = Tausch-) System, d. h. die 
Entlohnung in Naturalien, aber auch mittelst Wechsel, 
Schecks, Marken, Bons. 
Nach manchen ist jede Zahlung in anderer als Reichs- 
währung unzulässig und strafbar, also auch in Reichskassenscheinen, 
Banknoten der vier Privatnotenbanken, Reichssilber über 20 
und Nickel und Kupfer über 1 M. Diese Auslegung findet weder 
im Wortlaut des Gesetzes („in Reichswährung zu berechn en 
und bar auszuzahlen“) noch in seinem Zweck eine Stütze und 
durchkreuzt die im Interesse gesunder Volkswirtschaft liegende 
Reichsbankpolitik, die das Goldgeld im Kleinverkehr durch Sur- 
rogate zu ersetzen strebt (G. § 3 a). Es wird hierbei verwechselt,
	        
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