Full text: Das öffentliche Recht des Deutschen Reichs. I. Teil. Lehrbuch des Staats- und Verwaltungsrechts. (1)

iv 
§ 4. Das Staatsgebiet. 
5. Zuweilen steht die Gebietshoheit über ein Gebiet 
mehreren Staaten ungeteilt zu (Kondominat, besser 
coimperium, da Herrschaft, nicht Eigentum in Betracht 
kommt, unt. c). 
Z. B. Preußen und Österreich über Schleswig-Hol- 
stein und Lauen burg (vom Wiener Frieden, 30. Oktober 
1864, bis zum Gasteiner Vertrag, 14. August 1865), Deutschland, 
England und die Vereinigten Staaten über die Samoa- 
inseln (1889—1899). Der Bodensee ist nach richtiger 
Meinung als unter die Uferstaaten reell geteilt zu betrachten. 
Eigentümlich liegen die Verhältnisse in dem Minendistrikt 
von Neutral-Moresnet, einem bei der Grenzregulierung 
zwischen den Niederlanden (seit 1839 Belgien) und Preußen im 
Vertrage vom 26. Juni 1816 ungeteilt gebliebenen Gebiet. Die 
Gemeindeverwaltung untersteht der gemeinsamen Bestimmung 
durch einen belgischen und einen preußischen Kommissar. Die 
aus Neutral-Moresnet gebürtigen Personen sind militärfrei; 
die Verlegung des Wohnsitzes dahin wird aber nicht als Aus- 
wanderung angesehen. Die Einwohner üben weder in Preußen 
noch in Belgien politische Rechte aus. Ein Kondominat ist 
nach RE St. 38 298 nicht vorhanden, da nicht eine Rechtsge- 
meinschaft besteht, sondern jeder Teil das Gebiet für sich bean- 
sprucht. Da anderseits eine anerkannte Einverleibung in keinem 
der beiden Staaten stattgefunden hat, sind die nach 1816 in 
diesen Staaten ergangenen Gesetze (z. B. das RöSt#B.) in 
Neutral-Moresnet nicht in Kraft getreten. 
c. Natur der Gebietshoheit. 
Die Gebietshoheit (ius sublime in territorium) ist 
die Gewalt über die Bewohner des Staatsgebiets (im- 
perium); sie ist aber nicht als staatsrechtliches 
Eigentum (dominium eminens) an diesem aufzufassen. 
So schon Seneca: omnia rex imperio possidet, singuli dominio. 
Wird ein Gebietsteil an einen anderen Staat ab- 
getreten oder von ihm erobert, so bezieht sich dies nicht 
auf das Land, in dessen Eigentumsverhältnissen sich nichts 
ändert, sondern auf die Gewalt. Dies entspricht wenig- 
stens moderner Auffassung. Ehemals führte der Gedanke 
einer sachenrechtlichen Herrschaft des Staates (Patri- 
monialtheorie, S. 47) dazu, einerseits bei Gebietsabtre- 
tungen und Eroberungen die bisherigen Eigentümer ihres 
Eigentums ganz oder teilweise zu berauben und das Land 
unter die Sieger zu verteilen (Germanenreiche auf römi- 
schem Boden), anderseits beim Tode des Herrschers die 
Grundsätze des Bürgerlichen Rechts anzuwenden und daher 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.